Schriftsteller - Buchblogger

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Mark Lauren: Fit ohne Geräte

Ein Buch, sie zu knechten … Cover riva, Bild erstellt mit Canva. »Hooya« ist ein Schlachtruf der US-Spezialeinheiten , von den Indianern entleht. Es meint: »Gib mir mehr!«

Wie oft habe ich bei der Ausführung der Übungen gedacht: »Ich bin zu alt für diesen Sch…!« Kein Wunder, denn Fit ohne Geräte von Mark Lauren richtet sich wohl in erster Linie an die U30, vielleicht auch U40. Die Erschöpfung kann grenzenlos sein, das Erstaunen auch, wenn die Arme so lahmen, dass der Griff zu einem Glas nach dem Training eine echte Herausforderung ist. Gar nicht zu reden vom Muskelkater am Tag danach und dem darauf folgenden. 

Fit ohne Geräte ist zweifelsfrei eines der wichtigsten Bücher, die ich je in meinem Leben gekauft habe. Die völlig zerfledderte erste Ausgabe ist längst durch eine zweite ausgetauscht, ein weiteres mit einem anderen, deutlich strukturierteren Trainingsplan namens Die 90-Tages-Challenge ist hinzugekommen. Zwei Sportbücher. Gamechanger in meinem Fall, denn als ich sie vor acht Jahren erworben habe, hat sich mein Leben tiefgreifend geändert.

Schmerz gehört zum Leben dazu. Jeder kennt sicher das Bonmot, wer jenseits der fünfzig morgens erwache und keinen Schmerz verspüre, sei tot. Ich fühle mich in diesem Sinne sehr lebendig, denn es gibt kaum einen Morgen, an dem ich nicht irgendwo in meinem Körper etwas verspüre, dass man Schmerz nennen kann. Aber fast immer handelt es sich um ein Echo des Kraftsports, den ich am Vortag oder dem davor gemacht habe. Muskelkater.

Das ist etwas grundlegend anderes als jener Schmerz, der Schreibtischknechten landauf, landab ein treuer Begleiter ist. Diese Form des Schmerzes ist mir fremd. Auch mich erwischt mal eine Verspannung, auch in meinem Rücken ist mal ein Nerv eingeklemmt, aber das passiert sehr selten. Die anderen Ausgeburten einer sitzenden Tätigkeit habe ich bislang nicht zu spüren bekommen, was ich auch auf Bodyweight-Training zurückführe.

Das Konzept ist schlicht. Man trainiert mit dem eigenen Körpergewicht. Das hat Vorteile. Erstens braucht man fast keine Geräte (siehe Buchtitel), zweitens spart man sich das Fitness-Studio, drittens kann man fast überall trainieren (auch auf Reisen oder im Urlaub), viertens sinkt das Verletzungsrisiko  und fünftens kann man einen Teil der Übungen ohne Weiteres mit Geräten (Klimmzugstange, Hanteln) ausführen, wenn einem das lieber ist; zusätzliche Gewichte, wie zum Beispiel eine Weste, sind ebenfalls kein Problem. Die Belastung ist skalierbar.

Ich werde an dieser Stelle nicht das ganze Konzept vorbeten, sondern auf ein paar Dinge verweisen, die ich gelernt habe. Kraft, Balance (Stabilität) und Beweglichkeit sind immens wichtig, egal wie alt man ist. Muskulatur beugt vielen Zipperlein vor, sie erleichtert den Alltag und – ja – im  Alter hilft sie ein wenig beim Ertragen des nicht mehr aufzuhaltenden körperlichen Verfalls. Was mich vor allem beeindruckt hat, sind die »Nebenwirkungen«: Durch Bodyweight-Training kann man die Stabilität des Körpers und seine Beweglichkeit verbessern, beides ist essentiell.

Ein paar Nachteile hat das Buch allerdings auch. Zum einen ist Lauren Teil des amerikanischen Militärs gewesen und das schimmert auf jeder Seite in der Sprache durch. Wer das nicht mag, muss nicht nur bei den Übungen die Zähne zusammenbeißen. Viele Ernährungstipps sollte man vor allem als Anregung auffassen, darüber nachzudenken, was man isst; richtig Essen ist essentiell, nicht nur für das Training. Ein paar Dinge kann man eins zu  eins übernehmen: kein Zucker, kein Alkohol. Anderes lässt sich anpassen.

Lauren ist kein Freund des Ausdauertrainings. Seine Argumentation, warum das nicht zum Muskelaufbau beiträgt, erscheint mir nachvollziehbar, dennoch mache ich selbstverständlich Herz-Kreislauf-Sport. Ich jogge nicht, um Muskeln zu bekommen, sondern weil es ein bisschen Spaß macht und ich mich danach einfach besser fühle. Übrigens ist Bodyweight-Training eine wunderbare Sache für das Joggen – Balance und Muskelkraft machen es leichter.

Von Sport- und Ernährungswissenschaftlern wird immer wieder darauf hingewiesen, dass Sport allein nicht reiche, um Gewicht zu verlieren. Das entspricht auch meiner persönlichen Erfahrung; Laurens Rechnung, dass der Mehrverbrauch durch eine erhöhte Muskelmasse dabei helfen kann, Gewicht zu reduzieren, hat in meinem Fall nicht wirklich funktioniert; das klappte erst mit einer klassischen, langfristigen Diät.

Starten kann man übrigens auch sehr gut mit dem Frauen-Buch, weil das – warum auch immer –  sehr viel strukturierter ansetzt, als das für Männer. Die 90-Tages-Challenge ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie ein Vierteljahr zielgerichtetes Krafttraining den Sportler erschöpfen kann. »Hooya!« – »Gib mir mehr!« ruft man dann in der Regel nur mit beißendem Sarkasmus.

Mark Lauren mit Joshua Clark: Fit ohne Geräte
Softcover, 272 Seiten
riva 2018
ISBN: 978-3-7423-0411-7

Anachronistisches Echo

Es ist ein stilistisches Mittel, um einen inhaltlichen Apsekt massiv zu verstärken, eine Art literarischer Katalysator. Bild mit Canva erstellt.

Der Roman Sand von Wolfgang Herrndorf enthält eine Passage, die auf mich wie ein Echo auf den Mehrfach-Terroranschlag vom 11. September 2001 und die folgenden Jahre wirkt, in denen die USA in ihrem »Krieg gegen den Terror« einen sehr dunklen Pfad beschritten haben: Abu Ghraib, Guantanamo, Geheimgefängnisse etc. Im Roman schlägt sich das nieder – allerdings 1972. Zu dieser Zeit spielt der Roman, fast dreißig Jahre vor 9/11. 

Ein Echo ist normalerweise Folge von etwas. Das muss keineswegs im wörtlichen Sinne sein, nämlich dem Wiederhall eines Lautes an einem bestimmten Ort, zum Beispiel in den Bergen. Der Begriff des Echos wird im übertragenen Sinne verwandt, wenn zum Beispiel in einem Raum jemand spricht und gleichzeitig ein anderer leise dazwischen- oder gegenredet. »Haben wir ein Echo hier im Raum?« Der Bezug ist die zeitliche Folge und der Charakter des sich abschwächenden Tons. Durch die beißend ironische Frage wundervoll herabsetzend und verletzend eingesetzt.

Immer wenn ich Wagner höre, spüre ich den inneren Drang, in Polen einmarschieren zu müssen.

Woody Allen

Das Zitat von Woody Allen ist auch eine Art Echo, das bereits ein anachronistisches Element enthält. Zunächst echot es die Vorliebe der Nationalsozialisten für eine dumpf-deutsche germanisch-tümelnde Auslegung des Ring-Zyklus. Herfried Münkler hat in Die Deutschen und ihre Mythen völlig zurecht darauf hingewiesen, dass die Deutschen sich ausgerechnet einen Nationalmythos angeschafft haben, der im Untergang endet. 1945 wurde aus Mythos Realität.

Da das nationalsozialistische Deutschland tatsächlich in Polen einmarschiert ist, was nicht nur den Beginn des Zweiten Weltkrieges sondern auch eines beispiellosen Vernichtungskrieges markiert, ist das Echo verständlich. Auf eine wunderbar boshafte und zugleich komische Weise nimmt Allen nicht nur die Nazis und ihre verquere Wagner-Vorliebe aufs Korn, sondern weist Wagner-Liebhaber in der Gegenwart auf die dunklen Flecken hin, die an der Rezeption der Musik haften.

Wichtig ist, dass es um die Rezeption der Musik geht, nicht um Wagner selbst. Der war zweifellos Antisemit, umstritten ist, ob sich das in seinem Werk widerspiegelt. Zumindest den Nazis dürfte es nicht schwergefallen sein, das für sie Wünschenswerte herausgehört zu haben. Allerdings kann man dem Schöpfer des Nibelungen-Ring-Zyklus nicht vorwerfen, er hätte in Polen einmarschieren wollen. Polen gab es zu seiner Lebenszeit als Nation nicht, entsprechend war ein Einmarsch im Sinne von 1939 unmöglich.

Wir sind die Good Guys!

Wolfgang Herrndorf: Sand

Der Autor Wolfgang Herrndorf geht einen Schritt weiter. Mir ist es wichtig, darauf hinzuweisen, das es sich um meine Rezeption des Buches Sand handelt, nicht um eine Intention des Schriftstellers. Diese ist mir unbekannt. Im einer sehr langen, erbarmungslosen Passage wird eine Person von US-Amerikanern und ihren Helfern gefoltert. Herrndorf ist bei dieser Schilderung absolut gnadenlos.

Er spielt mit den Facetten der Folter, lässt die Ausführenden ihrem Opfer sogar darlegen, welche wissenschaftlichen Arbeiten belegen, dass sie sehr wirksam ist. Sie nennen ihr Ziel, Millionen Menschen vor dem Tod (durch Weiterverbreitung von Nuklearwaffen) zu bewahren, also sind sie die »good guys«, ausgestattet mit Werkzeug und moralischer Berechtigung zur Folter.

Erbarmungslos lässt Herrndorf den Leser mit seiner Figur in dieser völlig aussichtslosen Lage leiden – ich will nicht zu viel spoilern, aber die Brutalität wird durch die Unschuld des Gefolterten ins Grenzenlose verstärkt. Die Folterer führen Statistik zu ihrer Rechtfertigung an: In 99 von Hundert Fällen wäre der Gefolterte schuldig, in einem Fall unschuldig, also wäre ihr Handeln auch mathematisch gerechtfertigt.

»Es ist eher hinzunehmen, dass ein Schuldiger freigesprochen, als dass ein Unschuldiger verurteilt wird.«

Voltaire

Das hebelt sämtliche Grundlagen eines Rechtsstaats aus und verkehrt auf zynische Weise Voltaires berühmtes Zitat ins Gegenteil: »Es ist eher hinzunehmen, dass ein Schuldiger freigesprochen, als dass ein Unschuldiger verurteilt wird.« Für die Rettung des Weltfriedens ist jedes Mittel recht, eine Linie, die mich sehr an die Zeit nach 9/11 erinnert hat.

Die Wirkung des »anachronistischen Echos« besteht darin, etwas aus dem gegenwärtigen, gewohnten und leicht als selbstverständlich wahrgenommenen Kontextes in einen anderen zu pressen und die Konturen zu schärfen. Es spielt dabei eine untergeordnete Rolle, ob dieser andere Kontext erfunden oder wirklich ist, wichtig ist die massiv vertärkende Wirkung durch das Echo. Es ist eine Art literarischer Katalysator.

Der Klang der Macht

Kann man Macht hören? Musik malt Bilder in die Köpfe jener, die sie hören. Das funktioniert ganz wunderbar mit abstrakten Begriffen, wie Macht, Größenwahn, Trauer, Verzweiflung, Glück, Liebe und vielem mehr. Ich möchte hier gern zwei musikalische Stücke vorstellen, die aus meiner Sicht Macht repräsentieren. Eines davon ist für bewegte Bilder komponiert, das andere bezieht sich direkt auf ein berühmtes Bühnenstück des so genannten Shakespeare.

Warum gerade Macht? Es handelt sich um den Kernbegriff dessen, worum sich meine Abenteuerreihe um Joshua und Jeremiah dreht. Die beiden Freunde geraten in eine Auseinandersetzung zweier ehemaliger Kaperfahrer, die zu Todfeinden geworden sind. Dieser persönliche Konflikt ist eng verwoben mit dem Kampf der Großmächte jener Zeit um die globale Vorherrschaft.

Damit ist eine immer wiederkehrende Frage aufgeworfen: Wie kann der Einzelne bestehen, wenn die Mühlsteine der Macht mahlen? Auch der Film und das Bühnenstück berühren diese Frage und geben darauf eine Antwort. Doch hier geht es heute um die musikalische Umsetzung dessen, was man Macht nennt.

Imperial March – Star Wars

Das erste musikalische Stück, das ich mit Macht assoziiere, ist der berühmte Imperial March aus Star Wars. Eine musikalische Ikone der legendären Filmtrilogie, deren Einfluss auf die Filmindustrie gar nicht groß genug eingeschätzt werden kann.

Der Imperial March erinnert nicht umsonst an Militär-Märsche, handelt es sich bei dem Stück um die Untermalung von Szene mit höchst martialischem Charakter. In der Episode IV, der allerersten aus dem Star Wars-Universum, betritt Darth Vader die Szene, untermalt von langsamen, tiefen Tönen, die einen gleichmäßigen, unwiderstehlichen Marschtritt wiedergeben.

Vader steht für Macht. In den Filmen verkörpert er das Imperium und die Kräfte der dunklen Seite der »Macht«, jener Kraft, die das ganze Universum durchzieht und jenen, die sie verstehen und anwenden können, zu ungeheurer Macht verhilft.

Noch prägnanter ist die zweite Szene, aus Teil VI, dem dritten gedrehten Film der Trilogie. Als der Imperator, nicht nur vom Rang über Vader stehend, den neuen, zweiten Todesstern erreicht. Sein Shuttle landet in einem Hangar des riesigen Kampfsterns, ihn erwarten in Reih und Glied angetretene Formationen.

Als sich die Tür zu seinem Schiff öffnet, betreten als erste seine Gardisten den Hangar, in blutiges Rot gekleidet, das sie von den Sturmtruppen und allen anderen Sondereinheiten klar abhebt. Erst dann folgt der Imperator selbst, der in seiner Kluft eher an einen verschrobenen Hohepriester erinnert.

Doch ist er derjenige auf der dunklen, bösen Seite, der von der Macht mit Abstand am wirksamsten Gebrauch machen kann und zugleich die oberste politische und militärische Instanz des Imperiums. Die Parallelen zum Imperium Romanum sind greifbar und sicherlich gewollt, wie auch die imperiale Musik, die alles untermalt. Schneller, fordernder und mit der Wucht eines ganzen Orchesters vorgetragen, kann sich ihrem Eindruck fast niemand entziehen. Macht in Musik gegossen par excellence

Sergej Prokofiev: Romeo & Julia

Das zweite Stück stammt aus der Ballettsuite Romeo & Julia des russischen Komponisten Sergej Prokofiev. Die Geschichte einer verbotenen Liebe ist bekannt und braucht nicht nacherzählt zu werden. Als ich die Suite erstmals gehört habe, war ich wie elektrisiert – die Musik ist unfassbar emotional und schickt den Hörer auch ohne Bühne und Tänzer auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle.

Besonders ein Teil hat es mir seinerzeit schon angetan und das gilt bis heute: Der so genannte Tanz der Ritter, das dreizehnte Stück aus dem ersten Akt des Balletts. Ich stehe offensichtlich nicht allein, wie die recht lange Liste der Adaptionen zeigt, darunter namhafte Rock-Bands wie Deep Purple und Iron Maiden.

Im Original sollte der Teil ganz gezielt eine erhebliche Wucht entfalten, wie die Besetzung zeigt: Ein romantisches Orchester, das den düsteren, fast gewalttätigen, stampfenden und malmenden Charakter der Episode auszudrücken weiß. Ich persönlich mag die langsame Spielweise lieber, weil sie das für mich wesentliche Thema, die Macht, am besten wiedergibt.

Der Tanz der Ritter wird oft auch Montague und Capulet genannt, den ich treffender finde. Die Namen stehen für die verfeindeten Häuser, denen Romeo und Julia angehören. Sie symbolisieren deren Macht und bilden zugleich die Grenze, die von den beiden Liebenden nicht überschritten werden dürfen.

Eine gigantische Schildkröte

Es geht dabei um die Macht an sich, jene uralte, unsterbliche Gewalt, nach der die Menschen am allermeisten streben (laut Galadriel aus der Verfilmung von Tolkiens Fantasy-Roman Der Herr der Ringe).

Ich stelle sie mir wie eine gigantische Schildkröte vor, auf deren Panzer ein in unendliche Höhen aufragender Turm in die Höhe steigt, von dicksten Mauern bewehrt und unbezwingbar. Diese Kreatur stampft im langsamen Takt voran und zermalmt alles und jeden, der sich ihr in den Weg stellt. Auch das von Shakespeare ersonnenen Liebespaar. 

Wenn Joshua und Jeremiah zu ihren Abenteuern aufbrechen, stehen sie auch der Macht an sich entgegen. Sie wird von vielen unterschiedlichen Personen und Orten verkörpert, aber auch abstrakten Dingen wie Warenströmen und Informationen bestimmt. Auch 1732.

Star Wars und Romeo und Julia geben zwei sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage, ob und wie der Einzelne bestehen kann, wenn die Macht heranstampft. Meine Abenteuerreihe gibt auch eine.

Keine Frage der Ehre: Kämpfen bis in den Tod?

»Wir kämpfen bis in den Tod!«

Alexander Preuße: Piratenbrüder – Eine neue Welt

Das Zitat entstammt dem ersten Band meiner Abenteuerreihe um Joshua und Jeremiah. Es ist ein dramatischer Moment, der sich über viele Seiten langsam zugespitzt hat und zu einer heftigen Auseinandersetzung um eine existenzielle Frage führt: Soll man kämpfen oder nicht?

Wie das Drama ausgeht, werde ich hier selbstverständlich verschweigen, es geht mir um etwas anderes.

Schreiben ist ein unbewusster Prozess. Die Gestaltung einer Szene plane ich nie voraus, ich verfolge kein Ziel, schon gar kein programmatisches, um irgendetwas darzulegen oder Leser von meiner Sichtweise zu überzeugen. Das heißt aber nicht, dass Textstellen so etwas enthalten können, im Gegenteil: Unbewusst kann viel Haltung, Meinung und Standpunkt einfließen.

Die Textstelle hat im Rahmen der Korrekturen eine Auseinandersetzung darüber ausgelöst, ob das Verhalten zweier Personen so überspitzt, übertrieben geschildert wird, dass sie lächerlich und unpassend wirken. Darüber war ich einigermaßen verblüfft, denn mir erschien deren Auftreten einfach folgerichtig.

Ich habe aber in einem zweiten Schritt verstanden, dass in dieser Textstelle etwas schlummert, was ich unbewusst hineingeschrieben habe. Die beiden Figuren stehen stellvertretend für eine korrumpierte Form dessen, was man militärische Ehre nennt. Die Textstelle bietet also einen unterschwelligen Hinweis auf meine Haltung dazu.

Korrumpierte Ehre

Am 27. Mai 1941 starben rund zweitausend deutsche Matrosen. Das Schlachtschiff Bismarck wurden von schweren Einheiten der britischen Flotte versenkt, von den Überlebenden konnten einige gerettet werden. Neben den britischen Schiffen nahmen auch ein deutsches U-Boot und ein Hochseetrawler Schiffbrüchige auf.

Der Kapitän des Schlachtschiffes Bismarck, Ernst Lindemann, starb ebenfalls an diesem Tag. Der Militärhistoriker Holger Afflerbach schreibt in einem Artikel der Viertelsjahreshefte für Zeitgeschichte, er habe militärisch salutiert, als er mit seinem Stahlkoloss in den Fluten des Atlantik versank.

Was für ein Bild! Der Kapitän eines Kriegsschiffs lässt selbiges in einer völlig aussichtslosen Situation kämpfend untergehen, reißt damit mehrere tausend Matrosen in den Tod und stirbt selbst in einer heroischen Pose, die auf Nachgeborene eher lächerlich wirkt. Ist ein solches Verhalten wirklich militärische Ehre oder ein spätpubertärer Fiebertraum?

Kämpfen ohne Alternative

Manchmal gibt es keine Alternative. Wenn das Strecken der Waffen einem Selbstmord gleichkommt oder die zu verteidigende Bevölkerung damit einem schrecklichen Schicksal ausgeliefert wird. Sicher – der Kampf geht verloren und damit ist das Schicksal unabwendbar, wenn nicht ein kleines Wunder geschieht; aber dennoch macht man es dem Gegner nicht leicht.

Der Aufstand des Warschauer Ghettos oder ein Jahr später von ganz Warschau gegen die Nazis wäre ein Beispiel. Ein anderes wäre die Verteidigung der Armenier auf dem Berg des Musa Dagh gegen die Türken, die ihnen nach dem Leben trachteten; ihnen kamen in letzter Minute alliierte Schiffe zur Hilfe und retteten die Hoffnungslosen, die den Genozid an ihren Landsleuten überlebten.

Tod trotz Alternative

Im Falle der Bismarck liegt die Sache anders. Hier war das Schicksal des Schiffes besiegelt und der Kapitän sowie seine Offiziere wussten das ganz genau. Sie hatten – anders als die Juden im Ghetto, die Polen in ihrer zertrümmerten Stadt oder die Armenier auf dem Musa Dagh – eine Alternative: Kapitulation.

Kapitän Lindemann hätte seine Männer dem Feind übergeben und vielleicht noch das Schiff versenken können. Wäre das ehrlos gewesen? Er selbst hätte ja an Bord bleiben können, um damit heroisch zu versinken.

Er hat sich anders entschieden. In meinen Augen ein Verbrechen. Nicht ganz untypisch für autoritäre und diktatorische Systeme, bzw. solche, die der Krieg peu á peu in diese Richtung abgleiten lässt. Die Faustregel lautet: Diktaturen scheren sich nicht um Menschenverluste, Demokratien können sich das nicht leisten.

Die beiden Figuren in meinem Roman sind ein Echo dieses aus meiner Sicht korrumpierten Ehrbegriffs. Das mag lächerlich wirken, übertrieben und vielleicht ein wenig unangenehm für den Leser – aber das ist auch gut so.

Verdeckter Krieg

Zu den spannendsten Erkenntnissen während meiner Recherche gehörte jene, dass in der Karibik über Jahre hinweg ein unerklärter Krieg zwischen den Großmächten schwelte. Kaperfahrten und Piraterie gehörte mit dazu.

Während meiner Recherche für meine Abenteuerreihe bin ich auf eine interessante Sichtweise gestoßen. Sinngemäß hieß es, dass in Europa zwar nach Beendigung des Spanischen Erfolgekrieges Frieden herrschte, in der Karibik jedoch fortlaufend militärische Auseinandersetzungen zwischen den Großmächten ausgetragen wurden. Kern dieser Aktivitäten waren Kaperfahrten, aber auch Schmuggel und Zollkontrollen.

Möglicherweise spielten die Sklavenaufstände auch eine Rolle, wenn ich auch keinen Beleg dafür gefunden habe. Für meine Romanreihe habe ich mir jedoch die Freiheit genommen, diese als Teil des unterschwelligen Krieges zu betrachten. Was läge näher, als über provozierte und heimlich unterstützte Aufstände den Gegner empfindlich zu treffen?

Verdeckter Krieg

Aus meiner Sicht war das alles nichts anderes als ein verdeckter Krieg, wie ihn Putins Russland seit vielen Jahren führt. Damals wie heute wird er auf verschiedenen Ebenen ausgetragen, in der Ukraine über Jahre hinweg durch einen als »Bürgerkrieg« zwischen angeblichen »Separatisten« und den Ukrainern verbrämten Angriff; die eingefrorenen, aber nicht gelösten Kriege in Georgien, Moldau, flankiert von destabilisierenden Maßnahmen gegenüber den westlichen Demokratien.

Der Vorzug des verdeckten Krieges liegt darin, dass man offiziell gar keinen Krieg führt. Wer die letzten Jahre Revue passieren lässt, wird unschwer feststellen, wie wirkungsvoll dieses Mittel ist. Politik geht ungern unbequeme Wege (Sanktionen, Waffenlieferungen etc.) und lässt sich allzu oft von den verheißungsvollen Honigtöpfen wie billigem Gas verlocken.

Offene Kriege sind ein ungeheures Risiko, weil sie unglaublich teuer sind, nicht leicht beendet werden können und am Ende zumindest auf wirtschaftlicher Ebene alle verlieren. Von der Verelendung der Bevölkerung durch Nebeneffekte (Teuerung, Seuchen, Verwundete, entlassene Soldaten) einmal ganz abgesehen. Außerdem kann man militärisch unterliegen.

Vorteile und Nachteile

Ganz anders der verdeckte Krieg, der nicht begonnen wird und gleichfalls nicht beendet werden muss. Außerdem unterhält er eine gewisse Kriegsinfrastruktur. Als in den 1720er Jahren ein kurzer Krieg zwischen England und Spanien aufflammte, viel kleiner und letztlich folgenloser als der große um die spanische Erbfolge, konnte in der Karibik rasch operiert werden, wenn auch ohne Fortune.

Ein Nachteil dieser Art der Kriegführung besteht darin, dass sich die Kämpfenden von der Leine lösen und ihren Kampf auf eigene Rechnung weiterführen. Damals waren die Grenzen zwischen Kaperfahrern, Piraten und Piratenjägern (!) fließend; die Folgen für die zivile Schifffahrt, auch des eigenen Landes, verheerend.

Prägend für die Abenteuerreihe

Alle genannten Aspekte spielen für meine Romanreihe eine zentrale Rolle. Meine Protagonisten, Joshua und Jeremiah, werden in eine Auseinandersetzung zweier ehemaliger Kaperfahrer hineingezogen, die jedoch eng mit dem globalen Machtkampf zwischen England und Spanien (und Frankreich) verknüpft ist.

Damit bot sich die Möglichkeit, die Romanreihe wachsen zu lassen. Während der Fokus in den ersten Teilen noch stark auf der persönlichen und individuellen Ebene liegt, erweitert sich dieser von Band zu Band und wird immer stärker mit dem verflochten, was das Zeitalter geprägt hat: Piraterie, Verdeckter Krieg, globaler Machtkampf, Sklaverei, Handel mit Genussmitteln (Zucker, Tabak, Kaffee).

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