Tolle Bücher darf ich diesmal vorstellen, drei Romane und vier Sachbücher. Wie immer wird es historisch-politisch, etwa mit Robert Habecks programmatischer Schrift Den Bach rauf. Kurioserweise passt Freiheitsschock frappierend in die aktuelle Umsturz-Zeit. Die Romane haben diesmal den Fokus auf Krimi/Thriller, allerdings mit inhaltlichem Mehr-Wert.

Gehen oder bleiben? Seit ein paar Monaten denke ich immer wieder darüber nach, wie ich mich in den Sozialen Medien »aufstellen« soll. Ganz ohne geht es nicht (mehr), als Schriftsteller und Blogger muss ich hier und da mit dem digitalen Zaunpfahl winken. Aber wie und wo?

Ich vermisse Twitter. Keine andere Plattform ist bislang an den Zwitscher-Dienst herangekommen. Das ist keine Reminiszenz im gegenwärtig so beliebten Spiel, sich etwas zurückzuwünschen, das es nicht gegeben hat. Aber in puncto Reichweite, Bedienbarkeit, Komfort und Vielfalt ist Twitter bislang für mich unerreicht.

Zombie-Twitter nutze ich nur noch einige Zeit passiv, bald werde ich dort mein Konto löschen. Da Mark Zuckerberg den Kotau gekonnt vollzogen hat, stehen auch seine Plattformen zur Disposition. Facebook habe ich bereits gekündigt, Threads nervt und ist vor allem ein Schwarzes Brett für meine Blog-Beiträge.

Bei Instagram sieht die Sache anders aus. Hier bemerke ich eine dramatische Einschränkung der Reichweite beider Accounts und eine  Übersättigung der Nutzer. Mein Eindruck: Es wird geklickt und kaum noch gelesen. Das gilt auch für den Buchblog-Auftritt, doch dort kommt es gelegentlich noch zu Interaktionen. Davon würde ich mich ungern trennen, allerdings möchte ich auf gar keinen Fall mehr Zeit investieren als aktuell. Algorithmus hin, Reichweite her. Man arbeitet immer für Meta mit seinem Kotau-Chef.

Als Werbeplattform für meine Romane erscheint mir Instagram wertlos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf Instagram mehr als eine Handvoll Leser (von mehreren tausend) auf Piratenbrüder aufmerksam geworden ist. Aber auch sonst ist das Interesse verschwindend gering. In erster Konsequenz habe ich meine Aktivitäten zurückgefahren. Wozu der Aufwand?

Die zweite Konsequenz ist, dass ich auf meinem Blog öfter kürzere Beiträge poste. Etwa zu neuer Lektüre oder Lesevorhaben (12für2025 und 4rereads2025), bald auch über meine Schreibaktivitäten, möglicherweise auch einmal etwas Politisches. Vielleicht schaffe ich es irgendwann, einen Newsletter einzurichten. Einstweilen bleibe ich auf BlueSky und Mastodon aktiv. Beide Plattformen haben ihre Tücken und ihren Charme.

Kurzvorstellung der Januar-Bücher

Es ist Wahlkampf in Deutschland. Grund genug, das Buch von Robert Habeck zu lesen. Der Titel Den Bach rauf gibt die Marschroute vor, der Kanzlerkandidat von Bündnis 90/Die Grünen will sich nicht auf das elende Hauen und Stechen einlassen, mit dem die politischen Konkurrenten ihre Kampagnen um die Wählergunst befeuern. Es geht um eine Standortbestimmung und einige daraus folgende Rückschlüsse. Einer davon ist die in der öffentlichen Diskussion faktisch ignorierte Rückständigkeit Deutschlands durch das Verschlafen der digitalen Revolution. Das droht bei der nächsten Welle wieder, was hierzulande durch aberwitzige Diskussionen um Verbrenner und Migration unterzugehen droht. Habeck widmet sich diesem Thema wie vielen anderen, was das Buch zu einer wertvollen Lektüre macht.

Leonardo Padura schickt in seinem Roman Die Durchlässigkeit der Zeit Mario Conde wieder einmal auf eine verworrene und gefährliche Spurensuche. Anlass für den Ex-Polizisten, die Ermittlungen aufzunehmen, ist ein lukrativer Auftrag: Eine Schwarze Madonna ist verschwunden und soll aufgespürt werden. Condes Weg führt ihn in die Abgründe der cubanischen Realität der 2010er Jahre, in der Binnenmigranten unter erbärmlichsten Verhältnissen in Slums vegetieren. Gleichzeitig kehren immer mehr Menschen der Insel den Rücken, auch aus Condes Umfeld, während findige Geschäftemacher versuchen, kleinste Spielräume zu nutzen, um sich hemmungslos zu bereichern. Großartig! 

Ein blutiger Prolog, ein isolierter Polizist in Schwierigkeiten (Alkohol, interne Ermittlungen),  eine Versetzung, Zufallsbekanntschaften, Startschwierigkeiten am unbekannten Einsatz-Ort – soweit, so vertraut. Der Thriller Eisrausch von Roland Müller spaziert in die Handlung hinein, doch wird die Hauptfigur, Ermittler John Kaunak nach Grönland geschickt. Die eisgepanzerte Insel und seine Bewohner sind die heimlichen Stars des Buches. Die Handlung wird durch politischen Motive (chinesische Investitionen, Erderhitzung, Seltene Erden, Indigene), angereichert, die entscheidend dazu beitragen, die Ermittlungen zu einem verwickelten und wendungsreichen Unterfangen zu machen. Die Spannung bleibt bis zum Ende hoch.

Die Franken. Wer? Karl der Große! Der Kaiser, nach dem der Karlspreis verliehen wird. Charlemagne – so steht es in der Wirtschaftszeitschrift The Economist, wenn es um Europa, insbesondere Frankreich und Deutschland geht. Der Schatten, den „die Franken“ geworfen haben, reicht weit. Wer Bernhard Jussens vortreffliches Buch Die Franken liest, bekommt einiges um die Ohren gehauen. „Weg mit den Völkerwanderungskarten!“, heißt es an einer Stelle. Jussen räumt mit eisernem Besen mit überkommenen Gewissheiten auf, die oft nur mehr oder weniger phantasievollen Gedankenflügen und rückwärtsprojiziertem Wunschdenken entsprungen sind. Unbedingt lesen! Danach das herausfordernde Buch Das Geschenk des Orest zur Hand nehmen und sich eine ganz neue Geschichte erzählen lassen.

Aus der Welt der Wikinger schlägt uns dröhnende Stille entgegen. Schriftliche Überlieferungen der Zeitgenossen gibt es nicht, von einigen wortkargen Runensteinen abgesehen. Einige Reisende und Opfer von Wikingern haben sich geäußert, bei ihnen stehen Frauen nicht im Fokus, wie auch nicht in den Jahrhunderte später entstandenen Sagas. Die Archäologie schweigt zu wesentlichen Aspekten und ist schwierig auszulegen. Mit ihrem Buch Walküren* geht Johanna Katrin Fridriksdóttir also ein Wagnis ein, was sich in vielen vorsichtigen Formulierungen niederschlägt, wenn es darum geht, die Handlungsspielräume der Frauen dieser Zeit auszuloten. Keine leichte Lektüre, dafür seriös und in vielerlei Hinsicht bereichernd.

Im siebten Teil der Buchreihe um die Navajo-Police geht es um Grabräuberei. Dieb der Zeit ist eine Umschreibung für einen Kriminellen, der Grabschätze stiehl und zu Geld macht. Wie immer, wenn es um illegale Geschäfte geht, gibt es Gewalt und auch Tote. Joe Leaphorn und Jim Chee nähern sich dem Fall von verschiedenen Seiten an, Tony Hillerman hat seine Erzählung auf originelle Weile mit den jeweils schwierigen Lebenslagen der beiden Polizisten verwoben. Der Fall ist komplex und verwickelt, Leaphorn und Chee geraten mit der Schattenseite der seriösen Archäologie und Anthropologie ins Gehege. Am Ende steht – die Vorfreude auf den nächsten Band.

Während der Lektüre von Freiheitsschock: Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute war ich oft entsetzt, wütend und überrascht. Ich bin Zeitzeuge, wenngleich ich in der Nacht des Mauerfalls auf dem Weg nach Berlin havarierte. Als passionierter Zeitungsleser glaubte ich, über die Vorgänge recht gut informiert zu sein. Irrtum. Nicht der erste und leider auch nicht der letzte, wie mir ab 2014 schmerzlich bewusst wurde. Ein pointiert formuliertes Erklärbuch, angreichert mit persönlichen Facetten aus dem Leben von Autor Ilko-Sascha Kowalczuk, hat mich mit zahlreichen Fehleinschätzungen (erneut) konfrontiert. Toll ist, dass sich das Freiheitsverständnis Kowalczuks mit dem Timothy Snyders überschneidet, schön, Gedanken von Anne-Applebaum bestätigt zu finden. Doch geht Freiheitsschock darüber weit hinaus, allein wegen des Fokus auf Ostdeutschland.

Blog-Gestöber

Die kostbarste aller endlichen Ressourcen im Leben des Menschen ist die Lebenszeit. Sie ist begrenzt. Daraus ergibt sich zwingend die Frage, was man mit seiner gegebenen Zeit anzufangen gedenkt (sagt ja auch Gandalf im Fantasy-Roman The Lord of the Rings). Womit wir beim Thema wären.

Wer jetzt denkt, Fantasy – Uhhh!, sollte seine begrenzte Lebenszeit nicht mit der Lektüre von Romanen aus dem Genre und seinen Subgenres verschwenden. Jeder hat seine ganz speziellen Abneigungen, die vor Zeit-Verschwendung bewahren. In meinem Fall etwa Mystery, Horror und Liebes-Gedöns in jeglicher Ausgestaltung.

Soweit, so einfach. Man lässt einfach die Finger von dem, was man sicher nicht mag – es gibt so viele Bücher in Genres, die dem individuellen Leser zusagen. Was aber, wenn einem ein Buch in die Finger gerät, das trotzdem nicht passen will?  Abbrechen oder bis zum Ende lesen?

Der Frage geht ein Beitrag auf Horatio-Bücher unter dem reichlich spoilernden Titel  Abbruch der Lektüre – „Unsere Zeit auf Erden ist begrenzt“. Das Besondere ist, dass ein Buch betroffen ist, bei dem im Grunde genommen alles passte und eben doch nicht.

Monat für Monat pilgere ich zum Blog Honigdachs von Christoph Brumme. Der deutsche Schriftsteller lebt in der Ukraine und ist dort als Freiwilliger bei der Abwehr des russländischen Angriffskrieges tätig. Wer Innenansichten sucht, wird dort fündig. Denn auch an einem Stillen Morgen gibt es sehr Interessantes – etwa über die Energiegewinnung in der Ukraine.