Joshua, die Hauptfigur meiner Abenteuerreihe, macht sich mit dieser Aufzählung von »Ehrentiteln« über sich selbst lustig. Der Ton ist ein wenig larmoyant, vor allem aber ironisch. Es stehen schließlich einige schmeichelhafte und weniger schmeichelhafte Attribute nebeneinander.
Das Zitat entstammt Doppelspiel, dem dritten Teil der Buchreihe um die »Piratenbrüder«. Zu diesem Zeitpunkt hat Joshua schon einiges hinter sich, er hat Dinge erlebt, Gefahren überstanden und Begegnungen gemacht, die er nie für möglich gehalten hätte.
Dabei hat er sich nicht nur mit Ruhm bekleckert. Vor allem sein Verhalten in höchster Not macht ihm zu schaffen. Im zweiten Teil der Reihe, Chatou, zögert er in einer dramatischen Lage, auf einen Piraten zu schießen.
Mir war es von Anfang an wichtig, dass Joshua auf ihrem Weg straucheln, stürzen darf, wieder aufstehen muss und vor schwierigen Entscheidungen steht. Er muss sich weiterentwickeln, erwachsen werden, so oder so. Ich wollte keinen geleckten Helden ins Abenteuer schicken, auch niemanden, der sich allzu schnell entwickelt.
Das gefällt nicht jedem Leser; soll es auch nicht, meine »Piratenbrüder« sind keine Gefälligkeitsliteratur. Eine Testleserin fand Joshua zu passiv, allerdings kennt sie nur den ersten Teil. Aus meiner Sicht wäre alles andere für ihn in der erbarmungslosen und gewalttätigen Welt, in die er wohlbehüteter Vierzehnjähriger hineingerät, unangemessen gewesen.
So gibt es eine Menge Spielraum für die persönliche Weiterentwicklung, aber natürlich auch Grenzen, die Joshua nicht überwinden kann. Dafür gibt es ja noch Jeremiah, der unter ganz anderen Umständen aufgewachsen ist und viele Dinge selbstverständlich bewältigt, die für seinen Piratenbruder undenkbar sind und bleiben.
Was Joshua kann, ist sich selbst mit neuen »Ehrentiteln« ein wenig bespötteln. »Krähennesthocker«, »Kartenenträtsler«, »Feuergetaufter« oder »Zeremonienmeister« etwa, allzu heldenhaft klingt das nicht, aber wer weiß …
Das Zitat stammt von Friedrich von Hagedorn, einem deutscher Dichter, der von 1708 – 1754 lebte, also ein Zeitgenosse von Joshua und Jeremiah war.
Das Zitat von Hagedorn hat mir so gut gefallen, dass ich es Doppelspiel– Piratenbrüder Band 3 vorangestellt habe. Ein Doppelspiel ist im Grunde genommen eine Form der Unaufrichtigkeit, des Betrugs. Je nach Kontext kann das lustig, spannend oder anrüchig sein.
Wer nach dem Begriff »Doppelspiel« in den Weiten des Internets sucht, bekommt bei Wikipedia den Begriff »Intrige« als Synonym präsentiert, was nicht falsch, aber inhaltlich ein wenig arg eingeengt ist. Gemein ist beiden Begriffen, dass jemand hintergangen wird.
Das Vergnügen am Betrug ist einseitig, einen Betrug mit einem Gegenbetrug zu kontern, vervielfacht den Genuss. Es ist kein Zufall, dass zahlreiche Filme aus dem “Heist”-Genre darauf setzen: Spiel, Gegenspiel, Gegengegenspiel.
Geht es um Organisiertes Verbrechen, geschieht der Betrug oft in Form einer besonderen Täuschung: Jemand schlüpft in eine Rolle, um eine schwer zugängliche Organisation zu unterwandern, sei es die Mafia, einen Geheimdienst oder ein Drogenkartell.
Doppelspiel– Piratenbrüder Band 3 geht den zweiten Weg. Piraten sind schließlich auch eine Form des Organisierten Verbrechens (gewesen), in ihre Reihen einzudringen war zweifellos lebensgefährlich. Täuschung wurde wie auch Verrat nicht gerade gern gesehen. Wenn beide Seiten (oder sogar drei) mit Betrug arbeiten, findet man sich schnell in einem doppelten oder dreifachen Doppelspiel wieder.
Vielleicht waren sie Figuren in einem dreifachen Doppelspiel.
Alexander Preuße: Doppelspiel – Piratenbrüder Band 3
Warum wählen Elijah O’Stone und seine Getreuen ein so riskantes Vorgehen? Eigentlich wähnte man sich nach dem Roman Chatou– Piratenbrüder Band 2 schon auf dem Weg zum Sieg über John Black, doch mit dem unvermuteten Erscheinen eines englischen Lords namens Cornelius Taddeus Warrington auf Castelduro verschieben sich die Verhältnisse wieder.
Der Adelige verfolgt undurchsichtige Pläne, welches Spiel er spielt, ist ungewiss; er scheint weitreichende Ambitionen zu verfolgen. Klar ist nur, dass er den Elijah O’Stone und seinen Mitstreitern nicht wohlgesonnen ist, wie Pete und die Piratenbrüder rasch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Ein Rückschlag nach dem Sieg über Frederic Bluntsorn, genannt Blutlocke.
Außerdem bietet sich unverhofft eine Möglichkeit, John Blacks Piraten zu unterwandern. Das Doppelspiel, auf das sich Elijah O’Stone einlässt, ist also eine entschlossene Flucht nach vorn. Ihr Gegner erweist sich jedoch als mächtiger, als sie angenommen haben. Das hat nicht nur für meine Piratenbrüder dramatische Konsequenzen, das Doppel-Spiel nimmt eine fürchterliche Wendung.
Die Piratenbrüder werden mitten hineingezogen in den globalen Kampf um die Macht
Kann man Macht hören? Musik malt Bilder in die Köpfe jener, die sie hören. Das funktioniert ganz wunderbar mit abstrakten Begriffen, wie Macht, Größenwahn, Trauer, Verzweiflung, Glück, Liebe und vielem mehr. Ich möchte hier gern zwei musikalische Stücke vorstellen, die aus meiner Sicht Macht repräsentieren. Eines davon ist für bewegte Bilder komponiert, das andere bezieht sich direkt auf ein berühmtes Bühnenstück des so genannten Shakespeare.
Warum gerade Macht? Es handelt sich um den Kernbegriff dessen, worum sich meine Abenteuerreihe um Joshua und Jeremiah dreht. Die beiden Freunde geraten in eine Auseinandersetzung zweier ehemaliger Kaperfahrer, die zu Todfeinden geworden sind. Dieser persönliche Konflikt ist eng verwoben mit dem Kampf der Großmächte jener Zeit um die globale Vorherrschaft.
Damit ist eine immer wiederkehrende Frage aufgeworfen: Wie kann der Einzelne bestehen, wenn die Mühlsteine der Macht mahlen? Auch der Film und das Bühnenstück berühren diese Frage und geben darauf eine Antwort. Doch hier geht es heute um die musikalische Umsetzung dessen, was man Macht nennt.
Imperial March – Star Wars
Das erste musikalische Stück, das ich mit Macht assoziiere, ist der berühmte Imperial March aus Star Wars. Eine musikalische Ikone der legendären Filmtrilogie, deren Einfluss auf die Filmindustrie gar nicht groß genug eingeschätzt werden kann.
Der Imperial March erinnert nicht umsonst an Militär-Märsche, handelt es sich bei dem Stück um die Untermalung von Szene mit höchst martialischem Charakter. In der Episode IV, der allerersten aus dem Star Wars-Universum, betritt Darth Vader die Szene, untermalt von langsamen, tiefen Tönen, die einen gleichmäßigen, unwiderstehlichen Marschtritt wiedergeben.
Langsam und schwer ist der Marsch, der den Auftritt begleitet.
Vader steht für Macht. In den Filmen verkörpert er das Imperium und die Kräfte der dunklen Seite der »Macht«, jener Kraft, die das ganze Universum durchzieht und jenen, die sie verstehen und anwenden können, zu ungeheurer Macht verhilft.
Noch prägnanter ist die zweite Szene, aus Teil VI, dem dritten gedrehten Film der Trilogie. Als der Imperator, nicht nur vom Rang über Vader stehend, den neuen, zweiten Todesstern erreicht. Sein Shuttle landet in einem Hangar des riesigen Kampfsterns, ihn erwarten in Reih und Glied angetretene Formationen.
Als sich die Tür zu seinem Schiff öffnet, betreten als erste seine Gardisten den Hangar, in blutiges Rot gekleidet, das sie von den Sturmtruppen und allen anderen Sondereinheiten klar abhebt. Erst dann folgt der Imperator selbst, der in seiner Kluft eher an einen verschrobenen Hohepriester erinnert.
Das Tempo des gleichen Motivs ist deutlich höher, dynamischer.
Doch ist er derjenige auf der dunklen, bösen Seite, der von der Macht mit Abstand am wirksamsten Gebrauch machen kann und zugleich die oberste politische und militärische Instanz des Imperiums. Die Parallelen zum Imperium Romanum sind greifbar und sicherlich gewollt, wie auch die imperiale Musik, die alles untermalt. Schneller, fordernder und mit der Wucht eines ganzen Orchesters vorgetragen, kann sich ihrem Eindruck fast niemand entziehen. Macht in Musik gegossen par excellence
Sergej Prokofiev: Romeo & Julia
Das zweite Stück stammt aus der Ballettsuite Romeo & Julia des russischen Komponisten Sergej Prokofiev. Die Geschichte einer verbotenen Liebe ist bekannt und braucht nicht nacherzählt zu werden. Als ich die Suite erstmals gehört habe, war ich wie elektrisiert – die Musik ist unfassbar emotional und schickt den Hörer auch ohne Bühne und Tänzer auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle.
Besonders ein Teil hat es mir seinerzeit schon angetan und das gilt bis heute: Der so genannte Tanz der Ritter, das dreizehnte Stück aus dem ersten Akt des Balletts. Ich stehe offensichtlich nicht allein, wie die recht lange Liste der Adaptionen zeigt, darunter namhafte Rock-Bands wie Deep Purple und Iron Maiden.
Im Original sollte der Teil ganz gezielt eine erhebliche Wucht entfalten, wie die Besetzung zeigt: Ein romantisches Orchester, das den düsteren, fast gewalttätigen, stampfenden und malmenden Charakter der Episode auszudrücken weiß. Ich persönlich mag die langsame Spielweise lieber, weil sie das für mich wesentliche Thema, die Macht, am besten wiedergibt.
Der Tanz der Ritter wird oft auch Montague und Capulet genannt, den ich treffender finde. Die Namen stehen für die verfeindeten Häuser, denen Romeo und Julia angehören. Sie symbolisieren deren Macht und bilden zugleich die Grenze, die von den beiden Liebenden nicht überschritten werden dürfen.
Eine gigantische Schildkröte
Es geht dabei um die Macht an sich, jene uralte, unsterbliche Gewalt, nach der die Menschen am allermeisten streben (laut Galadriel aus der Verfilmung von Tolkiens Fantasy-Roman Der Herr der Ringe).
Ich stelle sie mir wie eine gigantische Schildkröte vor, auf deren Panzer ein in unendliche Höhen aufragender Turm in die Höhe steigt, von dicksten Mauern bewehrt und unbezwingbar. Diese Kreatur stampft im langsamen Takt voran und zermalmt alles und jeden, der sich ihr in den Weg stellt. Auch das von Shakespeare ersonnenen Liebespaar.
Wenn Joshua und Jeremiah zu ihren Abenteuern aufbrechen, stehen sie auch der Macht an sich entgegen. Sie wird von vielen unterschiedlichen Personen und Orten verkörpert, aber auch abstrakten Dingen wie Warenströmen und Informationen bestimmt. Auch 1732.
Star Wars und Romeo und Julia geben zwei sehr unterschiedliche Antworten auf die Frage, ob und wie der Einzelne bestehen kann, wenn die Macht heranstampft. Meine Abenteuerreihe gibt auch eine.
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Bücher begleiten mich schon mein ganzes Leben, auf dem Leseweg habe ich sehr viele großartige Romane und Sachbücher lesen dürfen, von denen ich gern erzählen möchte. Das ist ein Grund, warum ich blogge.