Berlin!

Zum ersten Mal habe ich eine Graphic Novel auf meiner Buch-Blog besprochen – und was für eine. Jason Lutes Berlin ist ein – ja – Bibliotheksfund. Im Vorübergehen habe ich das voluminöse Buch gesehen und mich an eine positive Rezension in der Süddeutschen Zeitung erinnert. Da sich auch Volker Kutscher enthusiastisch über das Werk äußert und mich das Thema generell anspricht, habe ich es gleich ausgeliehen. Was für ein tolles Werk!

Karten gehören zu meinem Leben, gerade auch solche mit historischem Inhalt. So habe ich mich sehr darüber gefreut, ein Leseexemplar von Christian Grataloups Die Geschichte der Welt* besprechen zu können. Trotz einiger kritischer Anmerkungen bin ich insgesamt begeistert. Es ist ein wunderbarer Schmöker, aber auch ein toller Lesebegleiter, wenn man sich einen schnellen Überblick über ein Thema verschaffen will.

Gut drei Monate habe ich an dem Opus Magnum des spanischen Schriftstellers Javier Marías gelesen. Ein Buch von 1.600 Seiten Stärke kann man wegfressen, was sich angesichts des Inhalts und des Schreibstiel von Dein Gesicht morgen verbietet, oder sich Zeit nehmen und Zeit lassen. Was für eine tolle Reise! Die werde ich sicherlich nie vergessen, zumal sich der Autor an bedeutenden Themen abarbeitet.

Zu meiner Schande muss ich geschehen, dass ich mehr über Hemingway als von ihm gelesen habe. So hat Leonardo Padura in Adiós Hemingway über seine letzten Jahre auf Cuba geschrieben, während Steffen Kopetzky in Propaganda den Leser auf den Autor in Paris 1944 treffen lässt. Nun habe ich aber nachgelegt und Der alte Mann und das Meer gelesen – eine grandiose Erzählung des Nobelpreisträgers. Sehr empfehlenswert.

Das gilt auch für Die Nickel Boys, Seebeben* und Die Detektive vom Bhoot-Basar: Die Romane von Colson Whitehead, Deepa Anappara und Djaimilia Pereira De Almeida führen den Leser in die USA, nach Indien und Portugal, wo sie mit sehr unterschiedlichen, aber schwerwiegenden sozialen und gesellschaftlichen Missständen konfrontiert werden. In allen Fällen auf eine gelungene, literarisch ansprechende Weise.

Kriegslicht ist Halbdunkel, verwischt und vernebelt. Es verbirgt Dinge, hält sie im Schatten, bis sie ins Reich des Vergessens gleiten – Michael Ondaatje hat das in seinem Roman  heraufbeschworen, er lässt den Leser lange über viele Dinge im Unklaren, während er dem Protagonisten auf seiner Suche nach Antworten folgt. Das hätte eine Besprechung verdient, aber – die Zeit! Also: Leseempfehlung; oder zum Hörbuch greifen.

Aus der Feder von Joseph Roth stammt einer der besten Romane, die ich kenne: Radetzkymarsch. Ich habe ihn mehrfach gelesen, Sprache und Wahrnehmung Roths sind unglaublich. Das Buch ragt unter seinen anderen Schriften heraus, bislang hat mir keines so gut gefallen. Das gilt auch für Die Legende vom heiligen Trinker, einer etwas skurrilen, märchenhaften Säufer-Geschichte. Der eigentliche Grund, dieses kurze Stück zu lesen, ist Volker Weidmanns wunderbarer Roman Ostende 1936, in dem auch Roth und seine selbstzerstörerische Neigung zum Alkohol eine wichtige Rolle spielen. Den will ich 2023 noch einmal lesen – dafür schmökere ich Erzählerisches wie Roths Legende.

Blog-Monat

Meine Besprechung zu dem Buch Seebeben von Djaimilia Pereira De Almeida hat im Monat April die meisten Aufrufe erhalten, knapp dahinter folgt Serhij Zhadans Himmel über Charkiw, obwohl die Kurzrezension erst dicht am Monatsende erschienen ist und hier noch aufgeführt ist.

Bei Gelegenheit ein Wort zu meiner Arbeitsweise bei den Lesemonaten: Ich nehme mir die Freiheit, nicht alle Bücher, die ich besprochen habe, zeitlich passend aufzuführen, sondern zu schieben. Zhadans Buch kommt nächsten Monat an die Reihe – gemeinsam mit mindesten einem weiteren Neuzugang in der Rubrik Ukraine. Neben thematischen Gründen will ich nicht mehr als zehn, maximal zwölf Bücher hier aufführen – wozu auch? Lesen ist kein Wettbewerb. 

Unter den Sachbüchern bekam Wolfgang Niess Buch über den Hitlerputsch 1923 die meiste Aufmerksamkeit. Überhaupt freut mich, dass meine Beiträge über Sachbücher bislang gut aufgenommen werden – zwar kommen sie mit den Top-Titeln unter den Romanen nicht ganz mit, aber damit war ohnehin nicht zu rechnen.

Bibliotheken: Ohne geht nichts

Zwei der Bücher, die in diesem Lesemonat vorgestellt werden, habe ich aus der Göttinger Stadtbibliothek ausgeliehen; in der Regel lungert zuhause rund ein halbes Dutzend entliehener Bände herum. Nicht jedes davon wird vollständig gelesen, so habe ich zwei Bücher über die deutschen Kolonien, von denen mich nur die ersten Kapitel interessieren, aus Recherche-Gründen, denn meine Abenteuerreihe berührt das Thema in einem späteren Band auch.

Aus dem gleichen Grund habe ich mir ein Kompendium über Wikinger ausgeliehen, das ich kursorisch durchschmökern werden – ebenfalls aus Recherchegründen. Gleich mehrere Bände stammen aus der Feder ukrainischer Autoren bzw. eines Deutschen, der in der Ukraine lebt. Sie haben sich mit dem Angriffs- und Vernichtungskrieg auseinandergesetzt, den Russland gegen den Nachbarn entfesselt hat.

Bibliotheken sind ein Segen. Ich hätte mir die vielen Bücher, die ich dort bereits geliehen habe, niemals leisten können. Mir stehen weder genug Geld noch Platz zur Verfügung. Außerdem ist die Bibliothek ein wunderbarer Ort, um Bücher auszuprobieren: Man nimmt sie mit nach Hause und liest darin ein wenig; gefällt es, liest man weiter, wenn nicht, wandert es zurück. Auf diese Weise habe ich schon tolle Autoren kennengelernt, die mir andernfalls entgangen wären.

Gerade für Eltern ist die Bibliothek unverzichtbar. Meine Kinder haben hunderte von Büchern gelesen bzw. vorgelesen bekommen, ein Teil davon füllt heimische Regale, die Mehrzahl stammt aus der gut sortierten Abteilung in der Stadtbibliothek. Auch hier wäre das Leseleben deutlich ärmer ausgefallen, hätte die Möglichkeit nicht bestanden. Ein kleiner Wermutstropfen: Computer und Handy setzen der Leselust irgendwann trotz allem zu.

In dem wunderbaren Roman »Die Königin von Troisdorf« von Andreas Fischer spielt die Stadtbibliothek auch eine wichtige Rolle: Sie eröffnete dem Autor, als er noch Schüler war, die Möglichkeit, über die Kriegsverbrechen und den Holocaust des Hitler-Regimes zu lesen – was angesichts der häuslichen Verschwörungserzählungen des Vaters ein Segen gewesen ist. So geht Bildung.

*[Rezensionsexemplar, daher Werbung]