Sechs Bücher im Wonnemonat August, darunter eines, das zu den drei besten gehört, die ich je gelesen habe.

Es ist mir nicht möglich, den einen Roman zu benennen, der mir der liebste wäre. Aber drei – das geht. Ein Trio von Romanen, das sich von allen anderen, die ich in meinem Leben gelesen habe, abhebt. Die Wahl fiel erstaunlich leicht, im Grunde brauchte ich keine zwei Minuten, um jene drei Erwählten zu finden.

Kein deutschsprachiger Roman gehört dazu, sondern je ein französischer, cubanischer und englischer. Bitte nicht missverstehen – ich lese durchaus deutschsprachige Literatur. Es gibt wirklich gute Bücher deutschsprachiger Federn, doch mein Trio überragt sie.

Wenn ich nach deutschsprachiger Literatur vom Feinsten suche, lande ich oft in alten Zeiten, bei den Klassikern und jenen zwei, drei Jahrzehnten im 20. Jahrhundert, in denen deutschsprachige Literatur blühte, ehe Deutschland unter dem Nazi-Blutbanner die Urheber zum Teufel jagte. Es gibt glücklicherweise Ausnahmen – wie zum Beispiel Schermanns Augen oder Propaganda.

Der erste Roman, den ich zu meinem ganz persönlichen Top-Trio zähle, ist »Der Mann, der Hunde liebte«, den ich im August noch einmal gelesen habe. Abermals ein tolles Leseerlebnis, denn das Opus Magnum des cubanischen Schriftstellers Leonardo Padura ist eine Sensation.

Endlich habe ich auch Tolkiens »Das Silmarillion« gelesen, ein in gewisser Hinsicht überwältigendes Buch, bei dem ich nicht von einem Roman sprechen würde; eine lose aneinandergereihte Sammlung von Sagen eingefasst in eine Schöpfungsgeschichte. Sperrig. Der Lohn wird ein neuer Genuss beim Wiederlesen des Ringkrieges sein. Und nein: »Der Herr der Ringe« ist nicht der englischssprachige Roman meines Trios.

Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte

Von der ersten Seite an nahm mich der Roman gefangen, wie beim ersten Lesen. Er ist komplexer, als ich es in Erinnerung hatte, und entfaltet die gleiche Sogwirkung. Oberflächlich könnte man sagen, dass die Ermordung Leo Trotzkis geschildert wird, der lange Weg des von Stalin geschassten Revolutionärs, ohne den es die Sowjetunion möglicherweise gar nicht gegeben hätte, und der seines Mörders. Der Mord geschah in Mexiko, ausgeführt von einem aus Spanien stammenden, naiv-linientreuen Kommunisten. Wie der sich peu á peu korrumpieren lässt und schließlich die Tat ausführt, ist wichtiger als die Tat selbst. Noch bedeutsamer ist aber die dritte Erzähllinie, die des Erzählers Iván, der auf Cuba lebt, dem letzten kommunistischen Eiland nach 1990. Er begreift, dass er einer brutalen, menschenverachtenden Ideologie anhing. Aus der sanften Umnachtung ideologischer Gläubigkeit zu erwachen ist schmerzhaft, wenn diese sich als erbarmungslos menschenfeindlich erweist, eine kleine Hölle.

Ausführliche Buchvorstellung: hier lesen.

J.R.R. Tolkien: Das Silmarillion

Eine unerledigte Sache. Fast 40 Jahre nach meiner Erstbegegnung mit Tolkiens Opus Magnum »Der Herr der Ringe« habe ich »Das Silmarillion« zur Hand genommen. Meine Erwartungen waren stummgeschaltet. Der Anfang klingt ein wenige wie eine Mischung aus Bibel und Märchen, es ist eine Schöpfungsgeschichte der Welt namens »Mittelerde« und dem, was westlich jenes Meeres liegt, das Frodo am Ende seines Weges überquert. Nach und nach entwickelt sich die Welt, der Leser wird Zeuge, wie das Licht verschattet wird, als ausgerechnet einer der Aussichtsreichsten fällt. Handlung im eigentlichen Sinne entwickelt sich langsam, die großen Schlachten und Abenteuer werden sehr knapp und schnell erzählt. Die Geschichte des Ringkrieges erhält im Silmarillion ihr Fundament, fast alle wichtigen Personen, Ereignisse und Handlungsweisen des »Der Herr der Ringe« gewinnen an Bedeutungstiefe. Das macht beide Bücher einfach großartig.

Ausführliche Buchvorstellung: hier lesen.

Karen Wynn Fonstad: Historischer Atlas von Mittelerde

Für mich ein unersetzlicher Begleiter auf meinen Streifzügen durch die Welt Tolkiens. »Das Silmarillion« wird durch die vielen schönen Karten sehr viel zugänglicher und interessanter, wenn der Leser die ungeheure Vielfalt an Namen, Landschaften, Orte und Handlungen auch bildlich nachvollziehen kann. Bilbos und Frodos abenteuerliche Fahrten kann man anhand der akribisch darstellten Routen wunderbar verfolgen. Was mich begeistert, ist die Erkenntnis, dass Tolkien ein Meister von Zeit und Raum ist. Anhand der Karten kann man nachvollziehen, welche Bedeutung das Timing im Ringkrieg hatte. Die Qualität des Romans »Der Herr der Ringe« wurzelt auch in seiner Struktur, den getrennt verlaufenden, einander beeinflussenden und bedingenden Erzähllinien.

Volker Kutscher: Goldstein

Ich mag keine Krimis, trotzdem lese oder höre ich ab und zu welche. Zum Beispiel den dritten Teil der Gereon Rath-Reihe von Volker Kutscher. Im abgelaufenen Monat ist »Goldstein« mein treuer Begleiter gewesen, wenn ich Beschäftigung nebenbei suchte oder zum Lesen zu müde noch etwas hören wollte. Der Roman ist einfach genug, ohne banal oder schlicht zu sein. Die kriminalistischen Aspekte sind verwickelt, Kutscher lässt seine Protagonisten ihre eigenen Wege gehen und untereinander mehr oder weniger große Konflikte austragen, alles vor der für mich ganz besonders stimmungsvollen Kulisse der ausgehenden Weimarer Republik. In diesem Buch ist der transatlantische Aspekt eine schöne Bereicherung.

Amor Towels: Lincoln Highway

Wieder ein Buch über das Reisen, das jedoch meine hochgesteckten Erwartungen nicht ganz erreicht hat. Towels »Lincoln Highway« erzählt die Geschichte von Reisenden, die keine Touristen sind, sondern eine Art Binnenmigranten und Fliehende. Zu den großen Mythen der USA gehört die Mobilität, die über ein reines Bewegen hinausgeht; zu den großen Mythen der westlichen Welt gehört seit Homer der Aufbruch, oft genug der von außen erzwungene. In »Lincoln Highway« finden sich beide Motive, Towels schickt seine Helden auf eine haarsträubende Irrfahrt, mit aberwitzigen Wendungen und wunderbaren Zuspitzungen. Ganz gemächlich entfaltet sich die Geschichte, weitet sich und erreicht eine beträchtliche inhaltliche Tiefe, die an einer ganz wunderbaren Stelle das menschliche Sein an sich beleuchtet. Und doch gibt es für meinen Geschmack durch den Schreibstil und Aufbau einige arge Redundanzen. Das Ende wiederum ist groß.

Heinrich von Kleist: Der zerbrochene Krug

Ein Lustspiel, als solches wird es jedenfalls immer wieder bezeichnet. Das Thema ist kurios: Ein Landrichter soll über einen Fall verhandeln, in dem er selbst den Täter stellt, während ihm von einem Höhergestellten auf die Finger geschaut wird. Wunderbar! Der schäbige Lumpenrichter steht unter hohem Druck, Kleist versteht es meisterlich, sein Schauspiel so zu gestalten, dass bestimmte Umstände verhindern, dass der Schuft davonkommt. Der Fortgang der Geschichte ist schön zu lesen, flott und abwechslungsreich geht es voran, was auch daran liegt, dass Erzählzeit und erzählte Zeit eng beieinander liegen. Ein paar wundervolle Wortspiele runden das positive Bild ab. Auch nach mehr als zweihundert Jahren ein Lesegenuss; aber: die Lumpen unserer Zeit kommen allzu oft davon, wenn nicht gerade der Zufall seine Finger ins Spiel bringt. Wie damals.