Kann man eine Romanreihe mit mehr als zwanzig Teilen lesen? Ja, das geht, auch wenn der Stoff eher im Bereich der trivialen Unterhaltung anzusiedeln ist. In meinem Fall ist das die Eagle-Reihe von Simon Scarrow, von der ich im November den einundzwanzigsten Teil gelesen habe. Ab und zu fange ich mir in meinem Umfeld ein wenig Spott dafür ein, weil ich gewöhnlich etwas andere Literatur bevorzuge.
Wieso also ein derart lang gezogenes (Mach-)Werk? Die Bücher des Eagle of the Empire spielen im Römischen Reich des ersten Jahrhunderts nach Christus. Der erste Roman setzt zu einer Zeit ein, als ein gewisser Claudius Princeps ist und sein Heer gen Britannien schickt. Auf dem Eiland ist bekanntlich Julius Caesar schon einmal probehalber gelandet – Unfinished-business-of-the-Empire gewissermaßen.
Der Leser folgt einem Duo: Macro und Cato. Die Götter haben die Fähigkeiten des Buddy-Gespanns klar verteilt, couragierte Kampfkraft hie, nicht minder couragierter Intellekt dort. Beide lernen voneinander, bleiben sich im Kern treu, während sie auf unterschiedlichsten Schlachtfeldern des riesigen Reichs fechten. Das ist eine der großen Stärken der Reihe – von Britannien geht es nach Spanien, in die Adria, in den Osten, Syrien, Ägypten, aber auch nach Sardinien usw. Man kommt im Gefolge der Legionen herum.
Die Reihe fängt die ungeheure Größe und Vielfalt des Imperiums gut ein, sie ist trotz der vielen unvermeidlichen strukturellen, inhaltlichen und charakterlichen Redundanzen abwechslungsreich genug, um die Lust am Lesen zu erhalten. Dabei gehören die anfänglichen Romane nicht unbedingt zu den stärksten, wäre es nicht ab Band fünf zu einem deutlichen (Orts-)Wechsel gekommen, hätte ich abgebrochen.
So bleibe ich also dabei – und freue mich auf Band XXII, der im Frühjahr 2023 erscheint.
Leseecke
Apropos unerledigt: Ich habe noch nie etwas von Tschechow gelesen und das im November nachgeholt. Der Kirschgarten hat mit allerdings nicht wirklich erreicht, ein munteres Bühnenstück, das ich als einigermaßen belanglos empfunden habe. Warum also so ein Stück überhaupt lesen? Zum einen gibt es Interpretationen, die mir im Nachhinein einige interessante Bedeutungsebenen eröffnen, zum anderen wird Tschechow relativ häufig in anderen Romanen genannt, zitiert oder von den Handelnden gelesen. Ich freue mich immer, wenn ich in solchen Fällen vom Autor etwas gelesen habe.
Ganz und gar nicht belanglos sind die anderen Bücher, die ich im November gelesen habe. Höhenrausch von Harald Jähner ist ein tolles Sachbuch über die Zeit der Weimarer Republik, Café Berlin ein Roman, der zumindest teilweise in dieser Zeit spielt; es war ein schönes Leseerlebnis, beides parallel zu lesen / hören. Die Vielfalt dieser Zeit ist und bleibt überwältigend, die Erkenntnis, dass das alles nichts genutzt, den Zivilisationsbruch nicht hat abwenden können, zutiefst beunruhigend.
Nach dem Zivilisationsbruch ist es ausgerechnet ein Fußballspiel gewesen, das Deutschland mental ein Stück wiederhergestellt hat. Das als »Wunder von Bern« verklärte Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft 1954 ist von Friedrich Christian Delius in seiner Erzählung Der Tag, an dem ich Weltmeister wurde verarbeitet worden. Um Fußball geht es auch, aber vor allem um Emanzipation. Ein gutes Stichwort, wenn man sich vor Augen führt, was aus dem Sport in der Gegenwart geworden ist.
Ein gutes Stück weiter ist der Roman Monschau von Steffen Kopetzky, in dem zwar eine Epidemie die Hauptrolle spielt, aber der Schatten des Zweiten Weltkrieges liegt noch über den beginnenden 1960er Jahren. An Propaganda kommt Monschau nicht heran, lesenswert ist es allemale.
Bloggestöber
Zwei Bücher habe ich mir im zurückliegenden Monat angeregt durch Blogbeiträge gekauft. Einmal Athos 2643 von Nils Westerboer, das auf Horatio-Bücher vorgestellt wird; zum zweiten Schatten über dem Hudson, auf das Sören Heim auf seinem Blog aufmerksam macht. Eine nette literarische Schnitzeljagd um den Prix Goncourt Gewinner 2021 Mohamed Mbougar Sarr nimmt ihren Anfang auf dem Blog von Kaffeehaussitzer. Gute Jagd, allen, die teilnehmen.
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