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Rebecca Struthers: Uhrwerke

Nicht nur der Inhalt des Buches ist großartig, auch das Buch selbst wunderschön. Ich habe es gern zur Hand genommen und die Reise durch die Geschichte der Zeitmessung angetreten. Cover C.Bertelsmann, Bild mit Canva erstellt.

Es ist zutiefst paradox, dass Maria Stuarts Uhr, ein mächtiger religiöser Talisman einer katholischen Frau in einem ungastlichen protestantischen Land, sehr wahrscheinlich von einem protestantischen Kunsthandwerker in einem ebenso feindseligen katholischen Frankreich geschaffen wurde.

Rebecca Struthers: Uhrwerke

Für dieses Buch sollte man sich ein wenig Zeit nehmen. Das ist mehr als ein unbeholfener Versuch, die Buchbesprechung von Uhrwerke von Rebecca Struthers mit einem Wortspiel einzuleiten. Zeit ist die kostbarste aller Ressourcen im Leben des Menschen. Ist der Mensch frei, steht er aber unter dem Entscheidungsdruck, die Zeit, die ihm gegeben ist, sinnvoll zu füllen.

Und schwups – sind wir mitten im Thema. Auf die Frage, wie man seine Zeit »sinnvoll«  füllen kann, gab es zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Seiten recht unterschiedliche Antworten. Uhrwerke spielten dabei eine wichtige Rolle, denn die Geschichte der Zeitmessung ist eng verflochten mit den jeweiligen Zeitläuften und Weltsichten. Die wechselseitigen Einflüsse sind frappierend.

In einem der interessantesten Kapitel erzählt Rebecca Struthers, die als Uhrmacherin ihre Berufung gefunden hat, über den Einfluss, den die religiöse Einstellung auf die Gestaltung einer Uhr hatte. Puritanische Uhren zur Zeit Oliver Cromwells etwa stellten einen krassen Bruch mit den vorherigen Formuhren dar. Sie waren schlicht und bar jeglicher Verzierungen.

Diese Uhren waren ein Spiegelbild puritanischer Weltsicht, die sich auch in anderer Hinsicht niederschlug, etwa der Mode. Wichtiger noch als das Äußere ist der ideelle Wert von Zeit (und damit auch eines mechanischen Zeitmessers). Für Müßiggang war kein Platz in Gottes Welt, die geschenkte Zeit musste genutzt werden. Alles andere galt als Laster und Sünde mit Folgen im Jenseits. (Was die Herrschaften wohl zu Instagram und anderen modernen Zeit-Fallen zu sagen hätten?)

Zu den großen Stärken von Uhrwerke gehört, dass die Autorin Brücken von der Uhrmacherkunst im Laufe der Jahrhunderte zu ihrer eigenen Person schlägt. Sie schildert beispielsweise jene obskuren Schuldgefühle, wenn sie »zu wenig gearbeitet oder zu lange geschlafen« habe. Uhrwerke befasst sich also keineswegs nur mit der Mechanik, sondern auch damit, wie diese den Menschen prägen kann und das über Jahrhunderte.

When I think of all the good time that′s been wasted having good times

(Eric Burdon and the animals)

Ich musste an diese Liedzeile denken, die zwar anders gemeint sein dürfte, für mich aber genau dieses Verschwender-Gefühl ausdrückt. Das erste »good times« könnte das puritanische sein, das zweite für die verschwendeten Stunden des Müßiggangs stehen. Anregende Gedanken, denn die Frage stellt sich, ob der Geist des puritanischen Arbeitseifers in Form eines preußischen Ablegers etwa auch in mir wirkt (obendrein klischeehaft) oder nicht.

Mehrfach wird deutlich, wie sehr Begebenheiten, die Jahrhunderte zurückliegen, bis in die Gegenwart wirken. Da wären die Hugenotten, die nach endlosen Kriegen und Massakern, einem Toleranzedikt, das immer mehr aufgeweicht und schließlich 1685 brutal aufgehoben wurde, vor der Wahl standen, Katholiken zu werden oder auszuwandern.

Einige davon sind nach Preußen gezogen, die Mehrheit in die Vereinigten Niederlande, aber auch auf die britischen Inseln und die Schweiz. Zu ihnen gehörten viele Uhrmacher, die in ihrer neuen – nun, ja – Heimat ihrer Tätigkeit nachgingen. Sie spielten eine »zentrale Rolle bei der Entwicklung der britischen und Schweizer Uhrenindustrie«.

Gedankt wurde es vielen jedoch nicht, ein Schicksal, von dem bis in die Gegenwart Migranten aller Art ein Lied singen könnten. Das nachfolgende Zitat über den hugenottischen Uhrmacher David Bouguet, der aus Frankreich nach London geflohen war, verdeutlich beispielhaft die seltsame Zwitterexistenz als geachteter Könner und angefeindeter Fremdling.

In der einen Minute war er für reiche Gönner tätig, die sein Werk bewunderten, respektierten und schätzten, in der nächsten wurde er auf der Straße als „französischer Hund“ (oder übler) beschimpft.

Rebecca Struthers: Uhrwerke

Auch der hellste Stern am Firmament der Uhrmacherei, Abraham-Louis Breguet, musste Frankreich für einige Jahre verlassen. Er floh allerdings vor dem Terror unter den Jakobinern. Die Flucht gelang dem Genie unter Mithilfe von Jean-Paul Marat, dem er selbst einmal zu Hilfe geeilt war. Für einige Jahre musste der brillante Uhrmacher in der Schweiz arbeiten, ehe er zurückkehren konnte.

Brequet hat der Anfertigung von Uhren eine ganze Reihe von technologischen Impulsen gegeben. Wie groß Brequets Einfluss war, zeigt die Tatsache, dass bis heute einige von seinen Fortschritten unverändert zur Anwendung kommen. Auch beim Thema Innovation ist die Geschichte der Uhrmacherei brandaktuell.

Die ersten Uhrwerke mussten in Türmen untergebracht werden. Der Weg zur Armbanduhr mit vielen zusätzlichen Funktionen (Komplikationen) war entsprechend weit; analog ist die Entwicklung von den Computern zum Smartphone gewesen und wird auch bei weiteren technologischen Erfindungen sein – Batteriespeicher, Elektromotoren, medizinische Geräte etc.  Uhrwerke ist auch ein Anlass für ein wenig Vertrauen in die menschliche Schöpfungskraft.

Sie [die Nachbauten und Fälschungen] leisteten einen großen Beitrag dazu, dass Uhren bezahlbar wurden, und ebneten damit nachfolgenden Unternehmen den Weg, sie wirklich allen Menschen zugänglich zu machen.

Rebecca Struthers: Uhrwerke

Die Verbreitung von Uhren hat Begehrlichkeiten geweckt. Taschendiebe und Fälscher tieben ihr Unwesen. Struthers geht den Fälschungen in einem eigenen Kapitel nach und kommt zu einem recht überraschenden Ergebnis. Es ist die Schattenseite der leuchtenden Innovationen des 18. Jahrhunderts, zu denen auch die Schiffschronometer gehörten. Doch hatten die Fälschungen einen ungewollt positiven Effekt, wie das Zitat zeigt.

Uhrwerke erzählt auch von den Schattenseiten, die mit den Uhren im Frühkapitalismus Einzug hielten. Die gnadenlose Ausbeutung der Fabrikarbeiter in den Produktions-Höllen des beginnenden Industriezeitalters ab 1760 lässt schaudern. Erstaunlich auch, wie sehr die Art der Zeitmessung peu á peu die gesamte Welt strukturierte, wie sehr Moden (Radfahren!) oder Entdeckungsfahren/-flüge/-reisen auf Zeitmesser angewiesen waren. Das Schicksal der Uhrmacherei auf den britischen Inseln kann als Warnung gelesen werden – etwa für die deutsche Autoindustrie.

Bei allem anderen, was mir an Uhrwerke von Rebecca Struthers so gut gefallen hat, ist das Buch auch eine Augenweide. Zur Gestaltung kann man Verlag und Autorin nur gratulieren, wie natürlich auch zum Inhalt, der einen weiten Bogen schlägt vom ersten Zählinstrument zu Atomuhren. Wie immer nach der Lektüre eines klugen, gut informierten und schön erzählten Sachbuchs ist der Leser hinterher ein bisschen klüger. Das gilt besonders auch für Uhrwerke.

*Rezenstionsexemplar

Rebecca Struthers: Uhrwerke
Eine Uhrmacherin erzählt die Geschichte der Zeitmessung
Aus dem Englischen von Christiane Wagler
C.Bertelsmann 2024
Gebunden 336 Seiten
ISBN: 978-3-570-10549-8

Fertig!

Das Zitat könnte ein Motto für den Roman sein.

Ein kurzes Wort für einen langen Arbeitsprozess. Im Juni 2024 habe ich mit der Arbeit am Rohmanuskript von Verräter – Piratenbrüder Band 6 begonnen. Jetzt ist die inhaltliche Arbeit getan, das Korrektorat läuft und im März steht der Buchsatz an. Wenn die Druckfahnen geprüft sind, wird ein Probeexemplar gedruckt und von mir laut vorgelesen – die letzte Korrektur-Instanz bevor die Veröffentlichung erfolgt.

Das kurze Wort »fertig« bezieht sich auf die inhaltliche Arbeit, den mit Abstand wichtigsten Teil. Ein Rohmanuskript ist eine Großbaustelle. Kurioserweise habe ich vor der erneuten Lektüre oft das Gefühl, der Text wäre schon »reif«, zumindest reifer als die vorangegangenen Rohmanuskripte. Ein Irrtum.

Ein paar Zahlen zeigen das. Anfang Juni 2024 umfasste Verräter rund 74.500 Wörter, Ende Oktober 98.000 Wörter und  nun ist der Text auf weniger als 85.000 Wörter zusammengeschnurrt. Dem langwierigen Ausarbeiten folgt das Umarbeiten und Streichen, am Ende steht das Kürzen. Das ist traditionell schmerzlich, auch liebgewonnene Passagen, Formulierungen landen im Papierkorb.

Am Ende ist Verräter viel dramatischer geworden, als ich ursprünglich geplant habe. Das liegt nicht zuletzt an einem Loch im Handlungsfaden, das durch eine actionreiche Begegnung von vier Schiffen auf hoher See gefüllt wurde. Die Idee kam mir durch einen Hinweis auf Instagram. Ja, so etwas gibt es auch.

»Klar zum Entern!«
Mit einem harschen Krachen, Knirschen und Schaben stießen die Rümpfe der beiden Schiffe aneinander. Einige Granaten flogen durch die Luft, gedankenschnell griffen Männer danach und beförderten sie über Bord. Eine explodierte und riss einen Seemann in den Tod.
»Vorwärts!«

Verräter – Piratenbrüder Band 6

Mir fiel auf, dass ich gar kein klassisches Entergefecht in den ersten fünf Bänden erzählt habe. Damit bot sich unerhofft die Möglichkeit, einen weiteren Erzählfaden aus dem ersten Teil Eine neue Welt bei der Gelegenheit aufzugreifen und abzuschließen; meine Hauptfigur bekommt zudem die Möglichkeit, sich zu bewähren. Vor allem passt die merkwürdige Begegnung auf See ganz wunderbar in die allgemeine verworrene Lage, in der sich Henry de Roche und seine Mitstreiter beim Kampf gegen John Black befinden. Es gibt Antworten und einige neue Rätsel.

Schlachten sollten – wie Sex-Szenen – zum Fortgang der Handlung etwas beitragen. Ein Grund, warum ich Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin schätze, ist sein Umgang mit Schlachten. Martin hat anderes zu erzählen und so dauert es genreuntypisch lange, bis in dem Fantasy-Epos erstmalig eine Schlacht geschildert wird. Daher war ich froh, dass die Action auf See in Verräter diie Handlung und die Charakterentwicklung vorantreibt. Die Kapitel sind für die Erzählbalance des Romans obendrein ein Segen.

Wie die Zahlen zeigen, habe ich den gesamten Roman grundlegend umgekrempelt und am Ende stark gestrafft. Ganze Kapitel sind dem Rotstift zum Opfer gefallen, der Beginn ist erneuert, auch gibt es ein neues, sehr kurzes Schlusskapitel, das mehr ein Epilog ist. Die Grundstruktur des Romans blieb allerdings unverändert. Darüber bin ich sehr froh, denn im zweiten Teil von Verräter machen die Piratenbrüder Bekanntschaft mit einer ungewöhnlichen Person an einem ungewöhnlichen Ort, der heute in Vergessenheit geraten ist.

Robert Habeck: Den Bach rauf

Das Zitat habe ich bewusst ausgewählt, denn verweist auf den zentralen Aspekt für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands in den kommenden Jahren. Viele kluge und nachdenklich machende Beobachtungen gibt es in dem Buch von Robert Habeck zu lesen. Cover Kiepenheuer & Witsch, Bild mit Canva erstellt.

Ich nenne Heimat das Land, dessen Problem mich direkt angehen.

Robert Habeck: Den Bach rauf

Oft musste ich während der Lektüre von Den Bach rauf an Ilko-Sascha Kolwalczuks Freiheitsschock denken. Demokratie und Freiheit sind anstrengend. Bequem kann man es auch in einer Diktatur wie der DDR haben, denn dort wird einem vorgegaukelt, alles werde für einen geregelt. Das funktioniert, bis die Realität die Propaganda überholt, bis alles „den Bach runter“ gegangen ist.

Robert Habecks Schrift Den Bach rauf zielt auf diesen Punkt: Teilhabe. Das meint nicht, auf dem Sofa sitzend und binge-scrollend durch die Dopamin-Paradiese des Internets zu treiben, sondern an der Lösung von Problemen aktiv mitzuwirken. Ohne Aussicht auf Erfolg, wohlgemerkt, denn Probleme lassen sich oft nur teilweise oder auch gar nicht „lösen“, im Sinne von beseitigen.

Frustration ist Teil der Teilhabe. Wer sich also darauf einlässt, wird zwangsläufig mit Misserfolgen konfrontiert. Zu den großen Vorzügen des Buches Den Bach rauf gehört die Ehrlichkeit, mit der Robert Habeck die drohende Überwältigung durch eine Springflut existenziell bedrohlicher Probleme nicht nur nennt, sondern auch zugesteht, dass Gedanken an einen Rückzug dazugehören.

Wenn die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr den Eindruck haben, dass sie auch selbst handeln können – und müssen, droht Resignation. Oder die Erwartung, dass der Staat alle Probleme löst.

Robert Habeck: Den Bach rauf

Die Erwartung, der Staat könne alle Probleme lösen, wird von anderen durchaus befeuert, Hand in Hand mit schlichten Schein-Lösungen und hausfrei gelieferten Sündenböcken, wenn es – wie zu erwarten – doch nicht klappt. In der DDR waren das „der Westen“ oder die USA, im Dritten Reich „die Juden“ oder „anglo-amerikanische Plutokratien“, heute sind es „die Ausländer“ oder „der Kapitallismus“ oder Bürgergeld-Empfänger.

Dieses Sündenbock-Muster funktioniert auch noch, wenn ganze Städte in Schutt und Asche fallen. Dolchstoß-Legenden, Lügenkaskaden und Schmutzkampagnen funktionieren ebenso, wie Anne Applebaum sagt. Ein Grund ist sicher, weil sie komplizierte, widersprüchliche Probleme verschlichten und bequeme, einfache Schein-Lösungen präsentieren.

Robert Habeck will einen anderen Weg gehen. Er möchte eigene Fehler nicht anderen aufhalsen, aus dem eigenen und fremden Scheitern lernen und unter Einschluss der Bürger herandrängende Probleme lösen. In diesem Sinne stellt er sich zur Wahl, in diesem Sinne ist auch dieses Buch verfasst, das darauf verzichten, vollendete „Lösungen“ zu präsentieren.

Aber in der (Ampel)-Regierung wurde viel Richtiges, ja Überfälliges auf den Weg gebracht.

Robert Habeck: Den Bach rauf

Fehler der Ampel-Regierung verschweigt Habeck nicht, Nachtreten findet nicht statt, auch bleibt es bei einem – sachlich völlig berechtigten – Hinweis auf die schwerwiegenden, strukturellen Mängel, die aus den sechzehn Merkel-Jahren resultieren. Draufhauen brächte – vielleicht – Stimmen, doch darum geht es in Den Bach rauf nicht.

Ein schönes Beispiel für das Zusammenwirken von Staat und Bürgern ist die Abwehr einer verheerenden Gasmangellage nach dem russländischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Zu den strukturellen Hinterlassenschaften der Merkel-Jahre gehörte die frappierende Abhängigkeit von billigem russländischem Gas, dem bis heute populistische Politiker auch aus Union und SPD öffentlich nachweinen, trotz des offenkundigem Erpressungspotenzials.

Eine Beteiligung der Bürger durch das Einsparen von Gas beim Heizen war zentral, um die drohende Malaise abzuwenden. Es hat funktioniert. Ein Erfolg, der heute, kaum zwei Jahre später, bei vielen in Vergessenheit geraten ist. Ein Zusammenbruch ist leicht zu erkennen, ganz anders ein abgewendetes Desaster – dazu gehört eine gewisse Anstrengung, womit wir wieder am Anfang sind.

Aber die erste digitale Revolution ist fast vollständig an Deutschland und Europa vorbeigegangen, und wenn wir nicht aufpassen, dann wird es mit der zweiten, die der künstlichen Intelligenz, ebenso laufen. Die großen Tech-Konzerne kommen alle aus den USA, China holt nun auf.

Robert Habeck: Den Bach rauf

Es wird gehandelt. Das ist die gute Nachricht. Es sind nicht alle und das ist auch nicht nötig. Nie macht sich eine Mehrheit auf den Weg, es ist immer nur eine Minderheit, die anderen warten ab und schließen sich dann dem Weg an, der sich durchsetzt. Ermutigung ist wesentlich, insbesondere, wenn sich die Auswirkungen des eigenen Handelns nicht (sofort) zeigen oder die berühmt-berüchtigten Friktionen (Clausewitz) auftreten.

An welchen Stellen Robert Habeck ansetzen will, um die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass Deutschland eine Zukunft hat, wird aus Den Bach rauf deutlich. Es mangelt an Investitionen, die Schuldenbremse muss renoviert und Rahmenbedingungen müssen dafür geschaffen werden, dass nicht auch die nächste digitale Erneuerungswelle an Deutschland und Europa vorübergehen.

Wird das funktionieren? Es braucht Investitionen und das Bewusstsein, dass Kredite dafür nötig sind. Dem steht der populistische Unfug der „schwäbischen Hausfrau“ und ihrer angeblichen Sparsamkeit gegenüber, was bedauerlicherweise eingängig ist.  Hoffnung gibt, dass es ist nie eine Mehrheit für eine Revolution braucht, sondern eine Minderheit. Das gilt auch für alle anderen Entwicklungen.

Demokratien können sich nicht in schläfriger Sicherheit wiegen. Auch Deutschland ist nicht die uneinnehmbare demokratische, liberale, weltoffene, unerschütterliche Bastion. Wir müssen um und für unseren Rechtsstaat kämpfen und unsere Demokratie verteidigen.

Robert Habeck: Den Bach rauf

Besonders gut haben mir die klaren Worte zum Thema Autokratie, Desinformation und die davon für die Demokratie ausgehenden Gefahren gefallen. Habeck weiß um die Achse der Autokraten, er kennt die Problematik der zersetzenden Strategie „Flood the zone with shit“ (Steve Bannon), der sich auch Teile der Union bedienen und beruft sich unter anderem auf Hannah Ahrendt, wenn es um die Frage geht, wie man sich verteidigt.

Von überwältigender Bedeutung ist das, was Habeck zu Europa sagt. In den vergangenen Jahren ist Deutschland allzu oft einen Sonderweg gegangen, Nordstream (Schröder, Merkel), zögerliche Ukraine-Unterstützung (Scholz); das aufgeregte Gewese um Stromimporte aus Europa (Gas aus Russland war demnach okay) zeigt, wie selbstvergessen mit dem größten Pfund umgegangen wird, das Deutschland hat: die EU.

Der Leser kann dem Buch Den Bach rauf trotz seines handlichen Formats eine Menge bedenkenswerter Idee und Gedanken entnehmen. Wichtig ist: Entschieden ist noch nicht, ob Deutschland den Bach rauf oder runter geht.

Robert Habeck: Den Bach rauf
Kiepenheuer&Witsch 2025
Gebunden 144 Seiten
ISBN: 978-3-462-00896-8

Lesevorhaben 12 für 2025

Diese zwölf Bücher möchte ich im laufenden Jahr lesen. Das ganze ist eine so genannte Challenge, auf die ich bei Instagram gestoßen bin.

Sechs Romane und sechs Sachbücher habe ich für mein Lesevorhaben 12 für 2025 ausgewählt. Der Fokus liegt ganz eindeutig auf historisch-politischen Themen, auch bei Schubert (»und seine Zeit«). Ich erhoffe mir einen weiteren Horizont nach der Lektüre, um das »Schaffen« geht es mir nicht. Meine mir im Vorjahr selbst auferlegte Buchkauf-Diät bleibt bestehen.

Thomas Medicus: Klaus Mann
Biographie, Schriftsteller, kenne alle Romane

Stephan Thome: Gott der Barbaren
Roman, Historisch, China

Friedrich Christian Delius: Die Sieben Sprachen des Schweigens
Essays, Autobiographisch, toller Autor

Thomas de Padova: Allein gegen die Schwerkraft
Biographisch, Erster Weltkrieg, Einstein

Philip K. Dick: Das Orakel vom Berge
Roman, Historische Dystopie, Hitler hat den Krieg gewonnen

Stefan Hertmans: Krieg und Terpentin
Roman, Erster Weltkrieg, Perspektive belgisch-flämisch

Nino Haratischwili: Das achte Leben
Roman, Georgien, epischer Mehrgenerationenroman

Arthur Koestler: Sonnenfinsternis
Roman, Stalinismus, mein zweites Buch vom Autor

Peter Gülke: Franz Schubert und seine Zeit
Biographie, Komponist, mehrere Werke gehören zu meinen Favoriten

W.B. Bartlett: King Cnut
Biographie, Wikinger, neben Claudius & William der dritte Eroberer Englands

Robert Harris: Precipice
Roman, 1914, kenne fast alles von Harris

Mischa Meier: Die Völkerwanderung
Historiographie, es gab keine »Völker«, also auch keine »Völkerwanderung«

Piratenbrüder – Spin-off-Sequel

Der Weg Eillirs und des Wikinger-Fürsten Stígandr wurde in Vinland – Piratenbrüder Band 4 soweit erzählt, wie es für die Geschichte um die Piratenbrüder Joshua und Jeremiah wichtig war. Was danach geschah, bleibt einem eigenständigen Roman vorbehalten, einem Sequel der Piratenbrüder-Serie.

Vinland – Piratenbrüder Band 4 hat ein offenes Ende. Im Rahmen einer Buchserie ist das wenig verwunderlich, Joshua und Jeremiah werden in drei weiteren Büchern Abenteuer zu bestehen haben. Was ist aber mit den Wikingern um Stígandr, Rydr und Eillir, deren Geschichte parallel auf einer zweiten Zeitebene erzählt wird? Auch hier kommt die Erzählung zu einem Ende, das eine Fortsetzung offensichtlich nahelegt.

Die große Fahrt Stígandrs nach Westen ist beendet. Alles, was für die Handlung der Piratenbrüder wichtig ist, wurde erzählt. Der Leser weiß, woher diese ominöse Karte stammt, die Erik zu Beginn von Vinland als Wegweiser zu einem geheimnisvollen Schatz präsentiert hat. Der Leser weiß auch, ob es den Schatz wirklich gibt und – wenn ja – was er enthält. Wie es danach weitergeht mit der Geschichte, bleibt offen. Eine große Leerstelle tut sich auf, die gefüllt werden möchte.

Stígandr hegt große Pläne, Ryldr will ihm dabei zur Seite stehen und aus persönlichen Gründen Rache nehmen, während Eillir gar keine andere Wahl hat, als die beiden zu begleiten. Gern wüsste man auch, welches Schicksal den starken Frauen Werengis und Aldis beschieden ist; wie Agda sich in ihrem neuen Leben zurechtfindet. Und dann ist da noch Berengar von Werra, der Tyske aus dem Reich der Ostfranken. Schließlich umgibt Eillirs Herkunft noch ein dichter Nebel.

Die Leser möchten wissen, wie es weitergeht. Mehrfach bin ich ermuntert worden, die Geschichte um Eillir weiterzuerzählen. Zum Glück habe ich das schon beim Schreiben von Vinland erwogen. Kaum war die erste, grobe Version getippt, habe ich mir Gedanken über eine Fortschreibung der Geschichte um »meine« Wikinger gemacht. Ich habe recherchiert und eine Skizze mit wichtigen Figuren und Konfliktlinien eines Historischen Romans erstellt.

Vielleicht hat mancher Leser auch erwartet, ich würde im fünften Teil der Piratenbrüder-Serie wieder auf zwei Zeitebenen schreiben. Möglicherweise sind sogar einige enttäuscht darüber, dass es jetzt »nur« mit den Piratenbrüdern weitergeht. Alles andere wäre jedoch keine gute Idee gewesen. Vinland hat das erzählt, was beide Zeiten miteinander verbindet; danach gehen beide Geschichten eigene Wege. Die Berührungspunkte, die es zwischen Piraten und Wikingern historisch gegeben hat, sind auserzählt.

Der Roman hat ein offenes Ende, was das Schicksal der Wikinger um Eillir, Stígandr und Ryldr anbelangt. Von Anfang an hatte ich die Idee, die Geschichte in einem eigenständigen Roman zu erzählen. Das ist mein nächstes Roman-Projekt.

Was Stígandr, Eillir und Ryldr erwartet, würde auch den Erzählrahmen völlig sprengen. In Vinland habe ich schon einige Themen und Motive angedeutet, die eine Rolle spielen werden. Da wären etwa die Kriege in den nordischen Ländern um die Macht, aber auch der Kampf um die Krone in England. Sven Gabelbart (was für ein toller Name!) hat sich dem Ziel verschrieben, König zu werden. Wie das historisch endete und was danach folgte, kann man auf Wikipedia kurz nachlesen.

Meine Wikinger erwartet jedenfalls ein Hexenkessel, so viel sei an dieser Stelle verraten. Das soll und muss mit einem eigenen Roman gewürdigt werden.

Nach Beendigung des letzten Romans um die Piratenbrüder werde ich mich zunächst um diesen Wikinger-Roman kümmern und danach der epischen High-Fantasy-Serie widmen. Da in der Fantasy-Welt auch eine Art »Nordmänner« ihr Unwesen treibt, ist die Recherche für den Wikinger-Roman gleich ein wenig Vorgriff auf das Fantasy-Abenteuer.

Der Wikinger-Roman wird weniger Jugendbuch sein als die Piratenbrüder, allerdings werde ich weiterhin Zurückhaltung üben, wenn es um Schlachten, Kämpfe und Sex geht. Die brutale Grausamkeit der Zeit will ich selbstverständlich nicht verschweigen, aber das geht auch ohne explizite oder blutrünstige Schilderungen. Wer so etwas will, wird anderswo fündig.

Bisher erschienen:
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