Ein kurzes Wort für einen langen Arbeitsprozess. Im Juni 2024 habe ich mit der Arbeit am Rohmanuskript von Verräter – Piratenbrüder Band 6 begonnen. Jetzt ist die inhaltliche Arbeit getan, das Korrektorat läuft und im März steht der Buchsatz an. Wenn die Druckfahnen geprüft sind, wird ein Probeexemplar gedruckt und von mir laut vorgelesen – die letzte Korrektur-Instanz bevor die Veröffentlichung erfolgt.
Das kurze Wort »fertig« bezieht sich auf die inhaltliche Arbeit, den mit Abstand wichtigsten Teil. Ein Rohmanuskript ist eine Großbaustelle. Kurioserweise habe ich vor der erneuten Lektüre oft das Gefühl, der Text wäre schon »reif«, zumindest reifer als die vorangegangenen Rohmanuskripte. Ein Irrtum.
Ein paar Zahlen zeigen das. Anfang Juni 2024 umfasste Verräter rund 74.500 Wörter, Ende Oktober 98.000 Wörter und nun ist der Text auf weniger als 85.000 Wörter zusammengeschnurrt. Dem langwierigen Ausarbeiten folgt das Umarbeiten und Streichen, am Ende steht das Kürzen. Das ist traditionell schmerzlich, auch liebgewonnene Passagen, Formulierungen landen im Papierkorb.
Am Ende ist Verräter viel dramatischer geworden, als ich ursprünglich geplant habe. Das liegt nicht zuletzt an einem Loch im Handlungsfaden, das durch eine actionreiche Begegnung von vier Schiffen auf hoher See gefüllt wurde. Die Idee kam mir durch einen Hinweis auf Instagram. Ja, so etwas gibt es auch.
»Klar zum Entern!« Mit einem harschen Krachen, Knirschen und Schaben stießen die Rümpfe der beiden Schiffe aneinander. Einige Granaten flogen durch die Luft, gedankenschnell griffen Männer danach und beförderten sie über Bord. Eine explodierte und riss einen Seemann in den Tod. »Vorwärts!«
Verräter – Piratenbrüder Band 6
Mir fiel auf, dass ich gar kein klassisches Entergefecht in den ersten fünf Bänden erzählt habe. Damit bot sich unerhofft die Möglichkeit, einen weiteren Erzählfaden aus dem ersten Teil Eine neue Welt bei der Gelegenheit aufzugreifen und abzuschließen; meine Hauptfigur bekommt zudem die Möglichkeit, sich zu bewähren. Vor allem passt die merkwürdige Begegnung auf See ganz wunderbar in die allgemeine verworrene Lage, in der sich Henry de Roche und seine Mitstreiter beim Kampf gegen John Black befinden. Es gibt Antworten und einige neue Rätsel.
Schlachten haben – wie Sex-Szenen – nicht selten Alibi-Charakter. Ein Grund, warum ich Das Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin schätze, ist sein Umgang mit Schlachten. Martin hat anderes zu erzählen und so dauert es genreuntypisch lange, bis in dem Fantasy-Epos erstmalig eine Schlacht geschildert wird. Daher war ich froh, dass die Action auf See mehr zu bieten hat, als alibihafte Lückenfüllerei; die Kapitel sind für die Erzählbalance des Romans obendrein ein Segen.
Wie die Zahlen zeigen, habe ich den gesamten Roman grundlegend umgekrempelt und am Ende stark gestrafft. Ganze Kapitel sind dem Rotstift zum Opfer gefallen, der Beginn ist erneuert, auch gibt es ein neues, sehr kurzes Schlusskapitel, das mehr ein Epilog ist. Die Grundstruktur des Romans blieb allerdings unverändert. Darüber bin ich sehr froh, denn im zweiten Teil von Verräter machen die Piratenbrüder Bekanntschaft mit einer ungewöhnlichen Person an einem ungewöhnlichen Ort, der heute in Vergessenheit geraten ist.
Schon seit geraumer Zeit steht das Buch Lust und Freiheit: Die Geschichte der ersten sexuellen Revolution von Faramerz Dabhoiwala bei mir im Regal. Ich habe es als Recherchelektüre für einen Historischen Roman gekauft, den ich wohl nicht mehr schreiben werde. Nun lese ich es mit Blick auf den letzten Band meiner Piratenbrüder, denn die gesellschaftlichen Umbrüche, von denen Dabhoiwala schreibt, vollziehen sich im 18. Jahrhundert. Das eigentliche Thema, die Sexualität des Menschen und ihr gesellschaftlicher Umgang damit, ist für mich dabei weniger interessant als das, was nebenbei über die sozialen Umstände der Zeit geschildert wird. Ich halte Ausschau nach Motiven, insbesondere, was das Leben in London anbelangt.
Ganz anders verhält es sich mit meinem aktuellen Hörbuch. Der Historiker Michael Sommer widmet sich in seinem Buch Mordsache Caesar: Die letzten Tage des Diktators der Tötung von Gaius Julius Caesar. Der politische Mord sollte das System der Römischen Republik retten. Das hat nicht geklappt, wie man weiß. Statt Ruhe und Stabilität gerieten die Dinge danach erst richtig ins Rutschen. Ein zweites Triumvirat, Bürgerkrieg, als Prinzipat verkleidete Alleinherrschaft. Wie kam es zum Mord? Sommer holt weit aus und das macht das Buch für mich besonders spannend. Ein weiterer Grund ist die Cicero-Trilogie von Robert Harris, die ich mit großem Interesse gelesen habe. Und das Recherche-Auge liest mit, in diesem Fall für meinen kommenden Fantasy-Roman.
Die völlig unvorbereitete Flucht Anfang 1945 kostete Hunderttausende ihr Leben. Kempowski schildert eine Welt, die sich eingesponnen hat in ihre Unwirklichkeiten und die hereinbrechende Realität nur zögerlich annimmt. Das geht über die konkrete historische Situation weit hinaus. Cover btb, Bild mit Canva erstellt.
Unweit von Mitkau, einer kleinen Stadt in Ostpreußen, lag das Gut Georgenhof mit seinen alten Eichen jetzt im Winter wie eine schwarze Hallig in einem weißen Meer.
Walter Kempowski: Alles umsonst
Wer das ostpreußische Städtchen Mitkau auf einer Karte sucht, wird sie nicht finden. Walter Kempowski lässt seinen Roman Alles umsonst zum großen Teil in der Nähe einer erdachten Ortschaft spielen. Realitätsfern ist auch das in die Jahre gekommene Gut Georgenhof, in dem die Personen in Unwirklichkeiten versponnen ihre Tage verleben. Ihre letzten, denn die Handlung führt in den blutigen Januar 1945, in dem Millionen Soldaten und Zivilisten ihr Leben ließen.
Das Gut bewohnen Katharina von Globig, eine zugezogene, verträumte Schönheit, die Gutsbetrieb, Mitkau und der Region fremd geblieben ist. Sie ist verheiratet mit Eberhard von Globig, der wilhelminischem Beamtenadel entstammt und in der Wehrmacht als Offizier Dienst tut: Frankreich, Ukraine, Italien. Etappe statt Front, was sich im Raubkrieg mit wiederholt eintreffenden Paketen mit kulinarischen Köstlichkeiten niederschlägt. Trittbrett fahrende Kriegsgewinnler.
Zur Familie gehört noch das »Tantchen«, Helene Harnisch, eine Anverwandte aus Schlesien, die nach einem Bankrott im Georgenhof Unterschlupf gefunden hat und dort – gegen ein Taschengeld – defacto den Laden in Schuss hält, weil sie im Gegensatz zu Katharina nicht der Wirklichkeit entrückt ist. Sohn Peter ist ganz in seine Kindheit versponnen, seine Schwester Ida verstorben. Peter ist – wie alle anderen im Gut lebenden Menschen – isoliert, kränkelnd gehört er nicht der Hitlerjugend an; von Linientreue kann bei den von Globigs und ihrem Haushalt keine Rede sein.
Kriegsbedingt arbeiten Wladimir, ein Pole, Anna und Vera, zwei von Eberhard selbst angeworbene Ukrainerinnen, auf dem Hof. In einem nahegelegenen, ehemaligen Gasthof hausen zur Zwangsarbeit verpflichtete Europäer verschiedener Herkunft, Kriegsgefangene und Zivilisten. Regelmäßiger Gast im Georgenhof ist Lehrer Dr. Wagner, der sich um Peter kümmert, so lange die Schule für Flüchtlinge zweckentfremdet und geschlossen ist.
Auf der Straße fuhr ein einzelnes Auto in Richtung Mitkau rasch vorüber, dann folgten andere und schließlich Lastwagen, auch Panzer, einer hinter dem anderen, die Glasperlen der Lampe klirrten. Dann trat Stille ein.
Walter Kempowski: Alles umsonst
Die Erzählung setzt am 8. Januar 1945 ein, vier Tage vor Beginn der Großoffensive der Roten Armee, die innerhalb von drei Wochen von der Weichsel bis an die Oder vorrücken sollte. Noch herrscht die Ruhe vor dem Sturm, die niemandem recht geheuer ist, und trotzdem außer vereinzelten besorgniserregenden Gedanken keinerlei Vorbereitungen auf eine Flucht hervorruft. Dabei haben die von Bewohner des Guts schon eine Reisebescheinigung und könnten jederzeit aufbrechen, wo andere endlos auf die Genehmigung warten mussten, die – wenn überhaupt – kam, als es zu spät war.
Besucher kommen ins Haus, ein Ökonom, eine Geigerin, ein Wehrmachtssoldat, Flüchtlinge aus dem Baltikum und dem Osten Ostpreußens; sie erzählen, oft Lügen, machen Andeutungen über die im Osten begangenen Verbrechen, Andeutungen die im Hause von Globig niemand versteht. Die Gäste nehmen Essen und Gesellschaft gern an, sie übernachten dort, stehlen und machen sich wieder von dannen.
Die Leute auf dem Gut leben unter einem Damoklesschwert, das sie zur Kenntnis nehmen könnten; sie tun es nicht, auch wenn sie mit der Nase darauf gestoßen werden. Der Kontrast zwischen der lebensbedrohlichen Lage und der hauseigenen Unwirklichkeit lässt sich weder mit Dummheit, Propaganda noch Angst vor dem NS-Terror erklären, die Ignoranz ist etwas, das weit über die konkrete Situation hinausreicht.
Menschliches Verdrängen im Angesicht einer überwältigenden Katastrophe ist wahrlich ein grundlegendes Phänomen. Ausnahmen bestätigen die Regel,Hannah Ahrendt etwa, die 1940 beim Herannahen der Wehrmacht Chaos und Anarchie unter den französischen Behörden nutzte, um sich von ihrem Internierungslager zu entfernen. Viele andere blieben, warteten ab und starben.
›Sofort die Sachen packen und auf und davon! Ja? Wegfahren, alles stehen und liegen lassen … Gleich morgen früh! … Die Russen kommen!‹
Walter Kempowski: Alles umsonst
Der Leser des Romans weiß, was kommen, was über die Menschen hereinbrechen wird. Immer wieder wird daran erinnert, im Nebensatz, wie willkürlich eingestreut. Ein Fliegeralarm. Zur Front rollende Panzer. Eilig zurückgenommene Front-Lazarette. Gerüchte. Nebensächlichkeiten, beunruhigend, aber auch nur am Rande des vorwärts wälzenden Erzählstroms, den Erinnerungen, Gedanken und Beschäftigungen der Figuren.
Von einer Handlung kann man eigentlich nicht sprechen, eher von Nicht-Handeln. Für einen Leser wie mich ist diese Form hintergründiger Spannung kaum erträglich. Immer wieder möchte man den Personen zurufen, sie aufrütteln, aus ihrem Dornröschenschlaf der unbedarften Weltabgewandtheit wecken. Ein sinnloses Unterfangen, wie man weiß und Autor Kempowski perfide vorführt: Offene Warnungen führen zu groteskem Verhalten.
Erst einmal abwarten; nichts werde so heiß gegessen …; jemand werde schon sagen, was zu tun sei …; Ob man die Vorhänge waschen sollte, alles gründlich saubermachen, bevor man geht? So in etwa sind die grotesk anmutenden Gedankengänge, auch nach der zweiten, dritten Warnung und Ermunterung, schnellstmöglich das Weite zu suchen, sich in Sicherheit zu bringen. Für den Leser frappierend, denn er ahnt schon – nein, er weiß, dass kein gutes Ende naht. Der Titel des Romans, Alles umsonst, sollte unbedingt ernstgenommen werden.
Und der Mann in seinem Versteck dachte an die dunklen Tage, die vor ihm lagen. es war ja eigentlich ganz ausgeschlossen, daß er es schaffen würde.
Walter Kempowski: Alles umsonst
Auf kunstvolle Weise hat Kempowski das Schicksal seiner Figuren mit dem anderer verwoben. Da wären die Ukrainerinnen, Wladimir und die vielen fremden Arbeiter, die Gegenstand von vielen versteckten, subtilen und ganz offenen rassistischen Äußerungen sind, hinter denen sich das Grauen der völkischen Ideologie und des Vernichtungskrieges wie ein gewaltiger Schatten erhebt. Andeutungen reichen, um den Abgrund des Zivilisationsbruchs zu zeigen.
Doch wird ausgerechnet Katharina, die Weltfremde, vom Pastor Mitkaus um eine Gefälligkeit gebeten: Sie sollte für eine Nacht einen vor dem Regime Fliehenden aufnehmen. Als sie den warnenden Anruf ihres Ehemannes entgegennimmt, befindet sich dieser Mann gerade in ihrer Obhut. Beide Schicksalslinien kreuzen sich in dieser ebenso grotesken wie dramatischen Situation, das Leben ist aus mehreren Richtungen bedroht, gerade im Januar 1945, Gestapo, SS und Feldpolizei kennen keine Gnade.
Die Tragödie nimmt ihren Verlauf. Auch als an der Front tausende von Geschützen die Erde im Umkreis von vielen Kilometern zum Beben bringen, können sich die Bewohner des Georgenhofs nicht aufraffen. Die »Flucht« beginnt zur Unzeit, als die rasch vordringenden Sowjets den Weg ins Reich nach Westen bereits abgeschnitten haben. Nur das zugefrorene Haff und der Abtransport über See bieten noch seidenfadene Hoffnung.
Am Straßenrand lagen Tote, manche saßen erstarrt an einem Chausseebaum; Greise, die nicht mehr weitergekonnt hatten, und kleine Kinder.
Walter Kempowski: Alles umsonst
Kempowski schildert die ungeheuerlichen Umstände dieser überstürzten Flucht, das massenhafte Sterben mit unpathetischen, oft lakonischen Worten. Die ungezählten Toten sind Nebensächlichkeiten am Wegesrand, wie ein Echo der vorher nebensächlichen Frontgeräusche. Manche sind erfroren oder an Erschöpfung gestorben, andere wurden erhängt, weil sie angeblich Deserteure, Plünderer, Feiglinge wären.
Gelegentlich blitzt das Motiv der aus Russland durch Ostpreußen zurückflutenden Trümmer von Napoleons Grande Armée im Jahr 1812 auf. 1945 nimmt der Untergang apokalyptische Dimensionen an, eine Götterdämmerung ohne jedes schwülstige Pathos, wie ihn Nationalsozialisten jahrelang heraufbeschworen hatten. Der Tod kommt so gnadenlos und unspektakulär, im Halbsatz, im Nebensatzsterben Kempowskis Figuren.
Von der »Volksgemeinschaft«, einem weiteren wirklichkeitsfernen Propagandastück, ist nichts zu merken. Jeder ist sich selbst der Nächste. Das gilt auch für »Oberwart« Drygalski, einen stramm linientreuen Nachbarn der von Globigs, der schneidig seine Anweisungen mit einem »zoffort!« würzt. Er lässt seine Frau zurück und macht sich vor der herannahenden Front zurück. Eine wunderbare Figur, die den Leser vom ersten Augenblick an abstößt und über viele Kapitel enerviert. Ganz am Ende des Romans macht ausgerechnet Drygalski eine spontane, völlig unvermutete Tat – und der Leser taumelt schweratmend aus der Handlung.
Walter Kempowski: Alles umsonst btb Verlag 2006 Taschenbuch 384 Seiten ISBN: 978-3-442-73736-7
Tolle Bücher darf ich diesmal vorstellen, drei Romane und vier Sachbücher. Wie immer wird es historisch-politisch, etwa mit Robert Habecks programmatischer Schrift Den Bach rauf. Kurioserweise passt Freiheitsschock frappierend in die aktuelle Umsturz-Zeit. Die Romane haben diesmal den Fokus auf Krimi/Thriller, allerdings mit inhaltlichem Mehr-Wert.
Gehen oder bleiben? Seit ein paar Monaten denke ich immer wieder darüber nach, wie ich mich in den Sozialen Medien »aufstellen« soll. Ganz ohne geht es nicht (mehr), als Schriftsteller und Blogger muss ich hier und da mit dem digitalen Zaunpfahl winken. Aber wie und wo?
Ich vermisse Twitter. Keine andere Plattform ist bislang an den Zwitscher-Dienst herangekommen. Das ist keine Reminiszenz im gegenwärtig so beliebten Spiel, sich etwas zurückzuwünschen, das es nicht gegeben hat. Aber in puncto Reichweite, Bedienbarkeit, Komfort und Vielfalt ist Twitter bislang für mich unerreicht.
Zombie-Twitter nutze ich nur noch einige Zeit passiv, bald werde ich dort mein Konto löschen. Da Mark Zuckerberg den Kotau gekonnt vollzogen hat, stehen auch seine Plattformen zur Disposition. Facebook habe ich bereits gekündigt, Threads nervt und ist vor allem ein Schwarzes Brett für meine Blog-Beiträge.
Bei Instagram sieht die Sache anders aus. Hier bemerke ich eine dramatische Einschränkung der Reichweite beider Accounts und eine Übersättigung der Nutzer. Mein Eindruck: Es wird geklickt und kaum noch gelesen. Das gilt auch für den Buchblog-Auftritt, doch dort kommt es gelegentlich noch zu Interaktionen. Davon würde ich mich ungern trennen, allerdings möchte ich auf gar keinen Fall mehr Zeit investieren als aktuell. Algorithmus hin, Reichweite her. Man arbeitet immer für Meta mit seinem Kotau-Chef.
Als Werbeplattform für meine Romane erscheint mir Instagram wertlos. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf Instagram mehr als eine Handvoll Leser (von mehreren tausend) auf Piratenbrüder aufmerksam geworden ist. Aber auch sonst ist das Interesse verschwindend gering. In erster Konsequenz habe ich meine Aktivitäten zurückgefahren. Wozu der Aufwand?
Die zweite Konsequenz ist, dass ich auf meinem Blog öfter kürzere Beiträge poste. Etwa zu neuer Lektüre oder Lesevorhaben (12für2025 und 4rereads2025), bald auch über meine Schreibaktivitäten, möglicherweise auch einmal etwas Politisches. Vielleicht schaffe ich es irgendwann, einen Newsletter einzurichten. Einstweilen bleibe ich auf BlueSky und Mastodon aktiv. Beide Plattformen haben ihre Tücken und ihren Charme.
Kurzvorstellung der Januar-Bücher
Es ist Wahlkampf in Deutschland. Grund genug, das Buch von Robert Habeck zu lesen. Der Titel Den Bach rauf gibt die Marschroute vor, der Kanzlerkandidat von Bündnis 90/Die Grünen will sich nicht auf das elende Hauen und Stechen einlassen, mit dem die politischen Konkurrenten ihre Kampagnen um die Wählergunst befeuern. Es geht um eine Standortbestimmung und einige daraus folgende Rückschlüsse. Einer davon ist die in der öffentlichen Diskussion faktisch ignorierte Rückständigkeit Deutschlands durch das Verschlafen der digitalen Revolution. Das droht bei der nächsten Welle wieder, was hierzulande durch aberwitzige Diskussionen um Verbrenner und Migration unterzugehen droht. Habeck widmet sich diesem Thema wie vielen anderen, was das Buch zu einer wertvollen Lektüre macht.
Leonardo Padura schickt in seinem Roman Die Durchlässigkeit der ZeitMario Conde wieder einmal auf eine verworrene und gefährliche Spurensuche. Anlass für den Ex-Polizisten, die Ermittlungen aufzunehmen, ist ein lukrativer Auftrag: Eine Schwarze Madonna ist verschwunden und soll aufgespürt werden. Condes Weg führt ihn in die Abgründe der cubanischen Realität der 2010er Jahre, in der Binnenmigranten unter erbärmlichsten Verhältnissen in Slums vegetieren. Gleichzeitig kehren immer mehr Menschen der Insel den Rücken, auch aus Condes Umfeld, während findige Geschäftemacher versuchen, kleinste Spielräume zu nutzen, um sich hemmungslos zu bereichern. Großartig!
Ein blutiger Prolog, ein isolierter Polizist in Schwierigkeiten (Alkohol, interne Ermittlungen), eine Versetzung, Zufallsbekanntschaften, Startschwierigkeiten am unbekannten Einsatz-Ort – soweit, so vertraut. Der Thriller Eisrausch von Roland Müller spaziert in die Handlung hinein, doch wird die Hauptfigur, Ermittler John Kaunak nach Grönland geschickt. Die eisgepanzerte Insel und seine Bewohner sind die heimlichen Stars des Buches. Die Handlung wird durch politischen Motive (chinesische Investitionen, Erderhitzung, Seltene Erden, Indigene), angereichert, die entscheidend dazu beitragen, die Ermittlungen zu einem verwickelten und wendungsreichen Unterfangen zu machen. Die Spannung bleibt bis zum Ende hoch.
Die Franken. Wer? Karl der Große! Der Kaiser, nach dem der Karlspreis verliehen wird. Charlemagne – so steht es in der Wirtschaftszeitschrift The Economist, wenn es um Europa, insbesondere Frankreich und Deutschland geht. Der Schatten, den „die Franken“ geworfen haben, reicht weit. Wer Bernhard Jussens vortreffliches Buch Die Franken liest, bekommt einiges um die Ohren gehauen. „Weg mit den Völkerwanderungskarten!“, heißt es an einer Stelle. Jussen räumt mit eisernem Besen mit überkommenen Gewissheiten auf, die oft nur mehr oder weniger phantasievollen Gedankenflügen und rückwärtsprojiziertem Wunschdenken entsprungen sind. Unbedingt lesen! Danach das herausfordernde Buch Das Geschenk des Orest zur Hand nehmen und sich eine ganz neue Geschichte erzählen lassen.
Aus der Welt der Wikinger schlägt uns dröhnende Stille entgegen. Schriftliche Überlieferungen der Zeitgenossen gibt es nicht, von einigen wortkargen Runensteinen abgesehen. Einige Reisende und Opfer von Wikingern haben sich geäußert, bei ihnen stehen Frauen nicht im Fokus, wie auch nicht in den Jahrhunderte später entstandenen Sagas. Die Archäologie schweigt zu wesentlichen Aspekten und ist schwierig auszulegen. Mit ihrem Buch Walküren* geht Johanna Katrin Fridriksdóttir also ein Wagnis ein, was sich in vielen vorsichtigen Formulierungen niederschlägt, wenn es darum geht, die Handlungsspielräume der Frauen dieser Zeit auszuloten. Keine leichte Lektüre, dafür seriös und in vielerlei Hinsicht bereichernd.
Im siebten Teil der Buchreihe um die Navajo-Police geht es um Grabräuberei. Dieb der Zeit ist eine Umschreibung für einen Kriminellen, der Grabschätze stiehl und zu Geld macht. Wie immer, wenn es um illegale Geschäfte geht, gibt es Gewalt und auch Tote. Joe Leaphorn und Jim Chee nähern sich dem Fall von verschiedenen Seiten an, Tony Hillerman hat seine Erzählung auf originelle Weile mit den jeweils schwierigen Lebenslagen der beiden Polizisten verwoben. Der Fall ist komplex und verwickelt, Leaphorn und Chee geraten mit der Schattenseite der seriösen Archäologie und Anthropologie ins Gehege. Am Ende steht – die Vorfreude auf den nächsten Band.
Während der Lektüre von Freiheitsschock: Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute war ich oft entsetzt, wütend und überrascht. Ich bin Zeitzeuge, wenngleich ich in der Nacht des Mauerfalls auf dem Weg nach Berlin havarierte. Als passionierter Zeitungsleser glaubte ich, über die Vorgänge recht gut informiert zu sein. Irrtum. Nicht der erste und leider auch nicht der letzte, wie mir ab 2014 schmerzlich bewusst wurde. Ein pointiert formuliertes Erklärbuch, angreichert mit persönlichen Facetten aus dem Leben von Autor Ilko-Sascha Kowalczuk, hat mich mit zahlreichen Fehleinschätzungen (erneut) konfrontiert. Toll ist, dass sich das Freiheitsverständnis Kowalczuks mit dem Timothy Snyders überschneidet, schön, Gedanken von Anne-Applebaum bestätigt zu finden. Doch geht Freiheitsschock darüber weit hinaus, allein wegen des Fokus auf Ostdeutschland.
Blog-Gestöber
Die kostbarste aller endlichen Ressourcen im Leben des Menschen ist die Lebenszeit. Sie ist begrenzt. Daraus ergibt sich zwingend die Frage, was man mit seiner gegebenen Zeit anzufangen gedenkt (sagt ja auch Gandalf im Fantasy-Roman The Lord of the Rings). Womit wir beim Thema wären.
Wer jetzt denkt, Fantasy – Uhhh!, sollte seine begrenzte Lebenszeit nicht mit der Lektüre von Romanen aus dem Genre und seinen Subgenres verschwenden. Jeder hat seine ganz speziellen Abneigungen, die vor Zeit-Verschwendung bewahren. In meinem Fall etwa Mystery, Horror und Liebes-Gedöns in jeglicher Ausgestaltung.
Soweit, so einfach. Man lässt einfach die Finger von dem, was man sicher nicht mag – es gibt so viele Bücher in Genres, die dem individuellen Leser zusagen. Was aber, wenn einem ein Buch in die Finger gerät, das trotzdem nicht passen will? Abbrechen oder bis zum Ende lesen?
Der Frage geht ein Beitrag auf Horatio-Bücher unter dem reichlich spoilernden Titel Abbruch der Lektüre – „Unsere Zeit auf Erden ist begrenzt“. Das Besondere ist, dass ein Buch betroffen ist, bei dem im Grunde genommen alles passte und eben doch nicht.
Monat für Monat pilgere ich zum Blog Honigdachs von Christoph Brumme. Der deutsche Schriftsteller lebt in der Ukraine und ist dort als Freiwilliger bei der Abwehr des russländischen Angriffskrieges tätig. Wer Innenansichten sucht, wird dort fündig. Denn auch an einem Stillen Morgen gibt es sehr Interessantes – etwa über die Energiegewinnung in der Ukraine.
Gleich zwei Polit-Thriller lese bzw. höre ich aktuell.
Bei Robert Harris neuem Buch Precipice ist das keine große Überraschung, schließlich kenne ich fast alle Romane von ihm. Einen Teil davon habe ich im Original gelesen, so auch das neueste Buch. Es geht nach London des Jahres 1914. Der drohende Schatten eines Krieges lastet auf der Hauptstadt, der Premierminister Asquith ist allerdings mit seiner jungen Geliebten und den irischen Verwerfungen beschäftigt. Das ändert sich, als geheime Dokumente in die falschen Hände geraten.
Brandaktuell ist der Thriller Die Übermacht von Stefan Grebe. Wie auf dem Cover zu sehen, geht es um China. Aus dem diktatorischen Unterdrückungsstaat ist bekanntlich jüngst ein leistungsstarkes KI-Instrument namens DeepSeek für kleines Geld veröffentlicht worden. Warum der Umgang damit bestenfalls naiv ist, wird in dem Buch erzählt. China will an die Weltspitze und verfolgt einen klaren Plan ohne jegliche Skrupel. Im Roman geht es dabei über Tote, wie auch in der Wirklichkeit. Die Spannung steigt rapide an, der Schrecken auch.
Totenschiffist als Taschenbuch (376 Seiten / 16,99 Euro) bei Autorenwelt, Amazon & anderen Online-Buchhändlern sowie im lokalen Buchhandel erhältlich. Das eBookgibt es exklusiv bei Amazon zu kaufen bzw. im Rahmen von Kindle Unlimited zu lesen.
Bücher begleiten mich schon mein ganzes Leben, auf dem Leseweg habe ich sehr viele großartige Romane und Sachbücher lesen dürfen, von denen ich gern erzählen möchte. Das ist ein Grund, warum ich blogge.