Nach dem Erfolg des Aufstands auf Castelduro beginnen die Problem erst und stellen die Piratenbrüder und ihre Freunde vor gefährliche Herausforderungen.
Ausgerechnet Jason Buckler als Hoffnungsträger? Als die Piratenbrüder und Pete Larsen dem Gasthauswirt und selbsternannten »Verwalter« der Insel Castelduro zu Beginn des Romans Chatou– Piratenbrüder Band 2 erstmals begegneten, hätte das keiner von ihnen für möglich gehalten. Eine aasige Kreatur, ruchlos, heimtückisch und anpassungsfähig – es ist wenig verwunderlich, dass es Buckler gelungen ist, sich Lord Cornelius Thaddaeus Warrington anzudienen. Er erweist sich als vorzüglich geeignet als Oberaufseher über die versklavten Afrikaner.
Warum sollte ausrechnet jemand wie Buckler den Jägern von John Black helfen?
Henry, Pete und die Piratenbrüder haben ohnehin noch ganz andere Sorgen. Der Aufstand der Sklaven auf Castelduro endete nur mit großer Mühe in einem Sieg, an dessen Ende es beinahe zu einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen den Aufständischen und ihren Helfern gekommen wäre. Diese Gefahr ist keineswegs gebannt.
Mehr noch: Warrington wird mit seinen verbliebenen Linienschiffen irgendwann nach Castelduro zurückkehren und sein Eigen zurückfordern. Kämpfen käme angesichts der Übermacht einem Selbstmord gleich. Folglich sollten Henry und seine Getreuen die Insel schnellstmöglich verlassen. Damit würden sie Akono und die Aufständischen im Stich lassen, ein Dilemma, aus dem es keinen einfachen Ausweg gibt.
Verrat kennt viele Gesichter.
Verräter – Piratenbrüder Band 6
Was wirklich geschieht, übertrifft alle Befürchtungen und Erwartungen in jeder Hinsicht. Der Erfolg auf Castelduro erweist sich politisch für Henrys Ziele als Pyrrhus-Sieg, die Spanier entpuppen sich als unzuverlässige Verbündete. In London ist das zersetzende Gift der Lüge längst am Werk, inmitten einer aufgeheizten Stimmung, in der immer lauter ein Krieg gefordert wird. Vor allem anderen aber sind John Black und seine Piraten nicht müßig, was auch Joshua und Jeremiah zu spüren bekommen.
Verräter – Piratenbrüder Band 6 ist das dramatische Luftholen vor dem großen Finale der Buchserie. Joshua muss sich beweisen, mit und ohne Waffe, Stück für Stück enthüllt sich eine bedrohliche Verschwörung, während die Piratenbrüder in einer längst vergessenen Festung nach dem letzten Puzzlestück des Rätsels um den Standort von John Blacks Stützpunkt fahnden.
Das Taschenbuch (424 Seiten) ist bei Autorenwelt, Buch 7, geniallokal, Amazon & anderen Online-Buchhändlern sowie im lokalen Buchhandel erhältlich. eBookexklusiv bei Amazon (Kindle und Kindle unlimited).
Irgendwann in meinem Leben habe ich einmal den Film Die Nibelungen von Fritz Lang gesehen. Einige vage Erinnerungen meine ich daran noch zu haben (das täuscht ja manchmal) und dank Herfried Münkler weiß ich um die Bedeutung der Sage und des daraus konstruierten Mythos für die deutsche Geschichte. Es ist ungewöhnlich, als nationalen Mythos einen zu wählen, der in totaler Vernichtung mündet. Hat ja am Ende geklappt.
Noch immer habe ich aber Metropolis nicht gesehen, jenen Film, mit dem sich für mich der Name Fritz Lang vor allem verbindet. Zuletzt ist mir das Meisterwerk in Daniel Kehlmanns RomanLichtspielbegegnet, in der es einen launigen Dialog zwischen Lang und seinem Regisseur-Kollegen / -Konkurrenten Pabst gibt.
›Metropolis ist der beste Film, der je gedreht wurde‹, sagte Pabst. ›Ich weiß‹, sagte Lang. Beide schwiegen.
Daniel Kehlmann: Lichtspiel
Nun ist mir also die Graphic Novel Fritz Lang von Arnaud Delalande und Éric Liberge ins Haus geflattert. Das gute Stück ist ausverkauft, ich konnte eine Ausgabe gebraucht ergattern. Die Lektüre passt thematisch nicht nur zum genannten Roman Kehlmanns, sondern auch zu der großartigen Graphic Novel Die letzte Einstellungvon Isabel Kreitz.
Außerdem habe ich mit dem Hörbuch Fabelhafte Rebellen von Andrea Wulf begonnen, zu dem ich mir aus der Stadtbibliothek noch das Buch ausgeliehen habe. Oft nehme ich beide Medienformen wahr, sie ergänzen sich prima. Das Sachbuch führt nach Jena im ausgehenden 18. Jahrhundert. Der kleine Ort war dank einer ungewöhnlichen Ballung von Geistesgrößen für kurze Zeit ein, ja das Zentrum der Geisteswelt. Worum ging es? Das Ich. Und vieles andere.
Auch in der »Inneren Emigration« stehen die Gebliebenen vor brenzligen, moralisch problematischen Entscheidungen. Cover Reprodukt, Bild mit Canva erstellt.
Bleiben oder Gehen? Die Frage stellte sich vielen Intellektuelle in Deutschland nach der Machtübertragung an Adolf Hitler im Jahr 1933. Viele prominente Vertreter aus Kunst und Kultur mussten buchstäblich Hals über Kopf fliehen, um nicht in die Hände der Nazis zu fallen, für viele war es nur die erste Flucht, die zweite oder dritte folgte, als die Wehrmacht 1939 in die Tschechoslowakei einmarschierte und 1940 Frankreich überrannte.
Manche blieben im Reich und nahmen Einschränkungen in Kauf, wie Entlassung aus dem bisherigen Beruf oder ein Verbot zu Schreiben und zu Publizieren. Einer davon ist der Schriftsteller und Journalist Heinz Hoffmann, dessen Schicksal Isabel Kreitz in ihrer Graphic Novel Die letzte Einstellung erzählt. Die Figur ist fiktiv, allerdings an Erich Kästner angelehnt.
Der Titel ist vielschichtig. Wie das Cover zeigt, verweist das Wort „Einstellung“ auf die Filmbranche, die im Dritten Reich unter der Zuchtrute von Propaganda-Minister Joseph Goebbels stand und entsprechende Streifen produzierte. Zugleich geht es auch um die Haltung der Personen zu ihrer Arbeit, die Teil des verbrecherischen Regimes ist und hilft, es zu stützen.
Ich mag mir nicht vorwerfen lassen, ich hätte mich verdrückt.
Isabel Kreitz: Die letzte Einstellung
Die widersprüchlichen Zwangslagen, die sich in der „Inneren Emigration“ ergeben können, zeigt Kreitz ganz wunderbar auf. Hoffmann führt trotz Berufsverbot lange Jahre ein brauchbares, zurückgezogenes Leben, dank Rücklagen und Tantiemen seiner im Ausland weiter verkauften Bücher. In den Krieg muss er auch nicht, aus gesundheitlichen Gründen ist er vom Wehrdienst befreit; er darf nicht einmal in einer Fabrik arbeiten.
Was auf den ersten Blick so positiv erscheint, ist tatsächlich ein Graus. Was bleibt einem noch, wenn man bestenfalls für die Schublade schreiben kann? Man darf dabei nicht vergessen, dass erst 1943 den helleren Köpfen im Reich klar geworden war, dass der Krieg unweigerlich verloren gehen würde. Bis dahin musste Hoffmann davon ausgehen, nie wieder schreiben und publizieren zu können, das Dasein eines lebendig Begrabenen.
Das mag gemessen am Schicksal von toten Zivilisten im Bombenkrieg, Frontsoldaten, Zwangsarbeitern und Lagerinsassen wie eine Petitesse erscheinen, doch auch im Goldenen Käfig siecht man vor sich hin, insbesondere als kaltgestellter kreativer Kopf. Kurioserweise ist es ein Bombenvolltreffer im Jahr 1944, der Hoffmann seiner Wohnung und seines Besitzes beraubt – die Käfigtür schwingt auf.
Ich schmarotze bei meiner Freundin, kann nicht raus aus Berlin und mich nicht einmal an der Front totschießen lassen! Ich sitze in der Falle.
Isabel Kreitz: Die letzte Einstellung
Hoffmann sucht Unterschlupf bei Erika Harms, einer vormaligen Geliebten, der er übel mitgespielt hat. Sie hilft ihm trotzdem, ist emotional an Hoffmann gebunden und sorgt dank ihrer Stellung bei der UfA für eine Beschäftigung des Geschassten als Ghostwriter für einen Durchhalte-Film, der trotz katastrophaler Versorgungslage mit allen Ressourcen versehen ist.
Die „Frauen-Geschichten“ des Heinz Hoffmann, seine notorische Untreue verhindern neben seinem Hang zur Selbstgerechtigkeit, dass die Figur in hellem Licht erstrahlt. Erika Harms ist ein Gegenbild, überlebenswillig, hilfsbereit, anpassungsfähig und kommunikativ, mit ihrer anpackenden Art schafft sie, woran ein Heinz Hoffmann scheitern würde. Wie es ihr später gedankt wird, weiß der Leser schon aus dem ersten Abschnitt.
An der Seite von Harms und Hoffmann taucht der Leser ein in die gespenstische Wirklichkeit des untergehenden Hitlerdeutschlands. Die Grausamkeit des Krieges wird angedeutet und mit der Film-Unwirklichkeit kontrastiert, die geradezu aberwitzig wirkt angesichts der zermalmten Städte und zivilen Bombenopfer. Der Mensch und seine Existenz sind ab einem gewissen Zeitpunkt reduziert auf bloßes Überleben.
Es geht um uns alle, die an diesem Film mitarbeiten und den verdammten Krieg überleben wollen!
Isabel Kreitz: Die letzte Einstellung
Die letzte Einstellung ist eine ausgesprochen gelungene Graphic Novel, die mit ihren Bildern die Möglichkeiten des Mediums vorzüglich ausnutzt. Abgerundet wird das durch ein Glossar und ein Nachwort von Michael Töteberg, der den Leser über die historische Wirklichkeit des Film-Lebens im so genannten „Dritten Reich“ informiert. Von der ersten bis zur letzten Einstellung ein sehr lesenswertes Buch.
Die Graphic Novel berührt eine Frage, die ich mir seit Jahren stelle: Wie war die Einstellung vieler berühmter deutscher Nachkriegsschriftsteller zu Krieg und Regime wirklich? Böll, Grass, Walser – sie haben öffentlich eine pointiert moralisierende Einstellung eingenommen, gleichzeitig eine verschwiegene Distanz zu ihrer Vergangenheit gewahrt. Haben sie gelogen, aus Karrieregründen?
„Gott strafe England“ steht in einem Brief Bölls aus dem Krieg (7.9.1939); ein ironisches Zitat, meinen die Herausgeber. Was macht sie so sicher, dass es sich bei dieser Auslegung nicht um eine Projektion aus der Nachkriegszeit in die des Kriegsbeginns handelt? Hegte Böll vielleicht doch Groll auf England und – ganz besonders – wäre das so schlimm? Oder wäre ein nachträgliches Retuschieren, passend zum Friedens- und Verständigungs-Böll nicht schlimmer?
Rezensionsexemplar, für das ich mich bei Reprodukt gern bedanke.
Isabel Kreitz: Die letzte Einstellung Reprodukt 2025 Gebunden 312 Seiten ISBN: 978-3-95640-452-8
Dem Roman Im Frühling sterben von Ralf Rothmann stand ich vor der Lektüre skeptisch gegenüber. Das lag an einer Lesung des Autors beim Göttinger Literaturherbst 2023, bei er Passagen aus Theorie des Regens vorgetrug. Trotz des vielversprechenden Titels haben mir die gelesenen Teile des Buches nicht besonders zugesagt, weder inhaltlich noch sprachlich. Nach der Lesung habe ich Autor Rothmann zunächst einmal in die Kategorie nicht lesenswert einsortiert.
Trotzdem habe ich nun die Lektüre seines Romans in Angriff genommen, was weniger an einigen positiven Besprechungen auf Literatur-Blogs lag, als an der schnöden Tatsache, dass ich das Buch bereits im Regal stehen hatte. Vor allem aber wegen des Themas: Erzählt wird die Geschichte von Walter, einem einfachen Melker, der im Frühling 1945 zur Waffen-SS zwangsgezogen wird und auf dem Balkan in die Blutmühle des untergehenden Hitlerreiches gerät.
Mit Rothmann als Autor bin ich nach der Lektüre von Im Frühling sterben wieder versöhnt. Der Kriegsroman hat große Stärken, die Sprache steht – wie Autor und Leser als Nicht-Zeitzeuge und erst recht nicht erlebender Augenzeuge – dem Sujet angemessen distanziert, direkt, nüchtern und frei von pathetischem oder gar belehrendem Palaver entgegen. Bei mir blieben einige Szenen unauslöschlich haften.
Zwei Hitlerjungen in einem Nachschubflieger, der beim Landeanflug von einem sowjetischen Flugzeug attackiert und abgeschossen wird. Aus der Sicht Walters wird das Geschehen ebenso knapp wie eindrücklich beschrieben, die Bilder entstehen im Kopf des Lesers. Bei diesem Beispiel wie bei Dutzenden anderen in diesem Buch, am Ende steht ein Panorama des Schreckens, ohne belehrende Nötigung durch den Autor.
Das hat mich enorm beeindruckt und ist eine der großen Qualitäten des Romans. Gelungen finde ich auch den Umgang mit dem Thema »Waffen-SS«, angefangen von der Blut-Gruppen-Tätowierung und ihre bisweilen dramatischen Folgen trotz zwangsweiser Rekrutierung bis hin zum ersten Hinweis auf die spätere Instrumentalisierung, um die Schuld der Kriegsverbrechen auf eine möglichst kleine Gruppe Deutscher zu reduzieren.
Die Zuspitzung der Dramatik durch die sich früh und allzu offen ankündigende Fahnenflucht von Walters Freund Friedrich und seine Erschießung wirken ein wenig aufgesetzt und unnötig im allgemeinen Untergang. Immerhin gelingt es Rothmann, die Szene zu motivieren und mit angemessenen Worten zu schildern. Trotzdem sticht das aus dem insgesamt sehr guten Roman eher negativ heraus.
Die ptolemäische Königin Ägyptens ist hinter Mythen, Legenden, verzerrender Sieger-Überlieferung und grotesken politischen Instrumentalisierungsversuchen verborgen wie die Grabkammern in den Pyramiden. Cover C.H.Beck, Bild mit Canva erstellt.
Filme sind zweifelsfrei wirkmächtiger als Bücher, insbesondere Sachbücher. So verwundert es nicht, dass ein monumentaler Hollywood-Streifen aus dem Jahr 1963 das Bild von Kleopatra bis in die Gegenwart prägt. Elisabeth Taylor in der Rolle der Königin, gewandet in ein Goldflügelkleid, mit schwarzem Bob und türkis-schwarzem Kajal hat jenes Bild geschaffen, das mehr als ein halbes Jahrhundert nachwirkt. In Deutschland ist daran auch das Leitmedium für antike Geschichte verantwortlich, die Comic-Reihe um Asterix und Obelix, die jenes Bild ebenfalls verbreitet.
Mit der historischen Kleopatra hat das ebenso wenig zu tun, wie der pompös inszenierte Einzug Kleopatras in Rom im berühmten Spielfilm mit Richard Burton. Wobei die Selbstinszenierung ein zentrales Merkmal ptolemäischer Herrschaft seit Alexander dem Großen war, der Filme also selbst diese völlig fiktionale (und allem, was man über Rom weiß, diametral widersprechende) Szene ein Körnchen historischer Fakten enthält. Mehr aber auch nicht, wie der Leser nach dem vorzüglichen Buch Ann-Cathrin Harders über Kleopatra. Ägyptens letzte Königin weiß.
Das gilt für alle Kleopatren, die in den vergangenen fünf Jahrhunderten geschaffen wurden. Im Kapitel mit dem schönen Titel »Viva la Diva!« führt Harders ihre Leser durch die Rezeptionsgeschichte der ägyptischen Königin, der immer grellere Blüten treibt, je näher man der Gegenwart kommt. Selbstverständlich gehört dazu auch die Instrumentalisierung. Ein gruseliges Beispiel ist die us-amerikanische Autorin Morgan Jenkins, die sich zur Besetzung eines neuen Kleopatra-Films mit Gal Gadot wie folgt geäußert hat:
Ich persönlich würde eine Kleopatra lieben, die dunkler ist als eine braune Papiertüte, weil das historisch genauer wirken würde.
Das ist intellektuelle Selbstentleibung. Bezeichnend, dass Jenkins auf die »Wirkung« abzielt und – frei von Sachkenntnis – die Behauptung in die Welt setzt, diese wäre »historisch genauer«. Schön zu erkennen ist, wie zugunsten der eigenen politischen Agenda die überlieferten Fakten auf groteske Weise ignoriert werden. Denn die Frage, welche Hautfarbe Kleoptra hatte, lässt »sich schlichtweg nicht beantworten«, wie Harders darlegt. Die Quellen geben es einfach nicht her. Trotzdem wird erbittert gestritten, was eine Menge über das Diskurs-Niveau der Gegenwart sagt, die dem Reiz des Schlichten, Einfachen, auf einen Aspekt Reduzierten gern erliegt.
Viel wichtiger als die Hautfarbe sind ganz andere Dinge. Aspekte, die sich etwa aus der sehr lückenhaften und einseitigen Überlieferung ergeben. Die Sieger schreiben die Geschichte und das waren die Römer, genauer gesagt: Octavian bzw. Augustus. Die ptolemäischen Herrscher/-innen Ägyptens hatten in der Endphase der Römischen Republik längst ihre Eigenständigkeit eingebüßt und waren auf einen römischen Patron angewiesen. Kleopatra stand auf der Seite von Octavians Gegner Antonius, sie war entsprechend Ziel heftigster Angriffe während der Auseinandersetzungen und in den Jahrhunderten danach.
Das so überlieferte Bild Kleopatras ist also nicht nur durch die neuzeitliche Rezeption verzerrt, sondern auch durch die zeitgenössische und kaiserzeitliche Überlieferung. Harders verweist darauf, dass die Person Kleopatras ein Ziel für Octavians Partei bot, um den Eindruck eines neuerlichen Bürgerkrieges zu übertünchen. In der Propaganda war sie (und nicht der ihr angeblich sexuell hörige Antonius) die eigentliche Gegnerin Roms, sie wurde zur tödlichen, traditionszerstörenden Gefahr stilisiert. Das erotisch aufgeladene Bild der märchenhaft schönen Verführerin ist ähnlich wirkmächtig für die Gegenwart wie der Taylor-Burton-Film.
Octavian wollte den Eindruck vermeiden, einen Bürgerkrieg zu führen, und rückte deshalb Kleopatra als externe Feindin, gegen die man sich rechtmäßig schützen müsse, ins Zentrum der Auseinandersetzung.
Ann-Cathrin Harders: Kleopatra
Die Frage der Hautfarbe schrumpft vor dieser Kulisse zu einer Petitesse. Wichtiger ist anderes. Welche Handlungsspielräume blieben einer ptolemäischen Königin in dieser prekären Lage ? Schon ihre Vorgänger hatten die Eigenständigkeit im Angesicht der militärischen Überlegenheit Roms und dessen gnadenloser Expansion testamentarisch aufgegeben. Das war nicht ungewöhnlich, zudem geschickter als etwa die testamentarische Vererbung Pergamons durch Attalos III. oder dem verzweifelten Auflehnen gegen Roms Hegemonie anderer.
Kleopatra hat tatsächlich eine bemerkenswerte Leistung vollbracht. Sie hat einerseits erstaunlich lange allein regiert, andererseits die realpolitischen Notwendigkeiten akzeptiert und sich an Rom auf persönlicher Ebene angelehnt, ohne sich zu unterwerfen. Harders beschreibt ihre Beziehung zu Caesar und Antonius über das romantisch-verkitschte Sexuelle hinaus als die eines Arbeitspaares. Man teilte das Bett, nicht die Herrschaft und arrangierte sich durch knallhartes Verhandeln entlang der jeweiligen Interessenlinien zu beiderseitigem Vorteil. Das entspricht dem antiken Bild einer idealen Ehe – obwohl Kleopatra weder mit Caesar noch Antonius offiziell liiert war.
»Arbeitspaar« ist weit entfernt vom Topos der hypererotischen Femme Fatale. Kleopatra wusste um die Pfunde Ägyptens mit seiner einzigartigen griechischen Polis Alexandria, dem Reichtum und der strategisch bedeutenden Stellung als Kornkammer und logistischer Basis. Ihr gelang es, die inneren Probleme zu bewältigen, Missernten und die traditionell ptolemäische Neigung zu blutigen Fehden um die Macht. So schuf sie das Fundament, mit den Vorzügen ihres Landes auf dem schwierigen geopolitischen Feld zu wuchern. Letztlich ist sie wie so viele andere historische Persönlichkeiten an einem starken Gegner und Zufällen gescheitert.
Die Quellen zeichnen das Bild einer kompetenten, vielsprachigen Führungspersönlichkeit, die den Aufgaben, eine so komplexes Reich wie Ägypten zu verwalten und zu regieren, durchaus gewachsen war.
Ann-Cathrin Harders: Kleopatra
Identität setzt sich aus vielen Aspekten zusammen, die durchaus widersprüchlich sein können. Die Reduktion auf einen Aspekt ist auch deshalb problematisch, weil das ein probates Mittel der großen totalitären Vernichtungsregime in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts war, Menschen auszugrenzen, einzusperren, auszubeuten und zu töten. Ann-Cathrin Harders gelingt es, Kleopatras persönliche Vielschichtigkeit einzufangen. Sie spricht bewusst von einer ptolemäischen Prinzessin und der Königin Ägyptens, nicht von einer ägyptischen Prinzessin bzw. Königin.
Das ist ein großer Unterschied. Die Ptolemäer haben bis zum Tod Kleopatras in einer Doppelrolle über Ägypten regiert. Sie waren »hellenistische basileis und ägyptische Pharaonen«. Einerseits war eine Anbindung an die Eliten des Reiches, namentlich der Priester, unerlässlich, um überhaupt herrschen zu können. Andererseits wurde das griechische Erbe in ptolemäischer Ausprägung gehegt. Allein Alexandria, das in einem eigenen Kapitel als bis dahin unübertroffener urbaner Stern der vorchristlichen Antike geschildert wird, spricht Bände: Es handelte sich um eine griechische Polis.
Die inzestuöse Heiratspolitik der Ptolemäer gehört ebenfalls dazu, sie ist Teil einer Inszenierung als Götter. Alexandria bildete die Bühne für eine ebenso pompöse wie atemberaubend prächtige und verschwenderisch Selbstdarstellung von Herrschern und Hof. Elementar war ein großes (Herrschafts-)Wissen, symbolisiert durch die einzigartige Bibliothek. Auch wenn die Überlieferung fragmentiert und durch die römische Siegerperspektive verzerrt ist, bleiben die ptolemäisch-griechischen Wurzeln als Faktum bestehen, das zentral für das Verständnis der Person ist:
Kleopatra ist in mancher Hinsicht eine Ausnahme, ihre Herrschaft kam aber nicht aus dem Nichts, sondern fußte auf einer 300 Jahre alten Tradition und einem besonderen dynastischen Selbstverständnis und Herrschaftswissen.
An dem Format Graphic Novel finde ich immer mehr Gefallen. Jüngste Erwerbung in diesem Segment ist Die letzte Einstellung von Isabel Kreitz. Die Geschichte erzählt von einem Propaganda-Film, der in den letzten Kriegstagen des Zweiten Weltkrieges gedreht werden soll. Mit dabei ein Schriftsteller und Journalist aus der Weimarer Zeit, der 1933 nach der Machtübertragung an Hitler nicht ins Exil ging, sondern die Innere Emigration wählte.
Für ihn hat das Konsequenzen, die man sich in der Gegenwart zumindest hierzulande nicht recht vorstellen kann: Berufsverbot. Ganz am Ende bietet sich ihm aber die Möglichkeit, als Ghost-Writer an jenem Film mitzuwirken. Damit bekommt der Begriff »Einstellung« im Titel eine doppelte Bedeutung: einmal für den Film, zum anderen für die Einstellung gegenüber dem menschverachtenden Regime.
Leider ist das alles aktueller als ich mir wünsche. Obendrein bin ich vom Thema wegen des Romans Lichtspielvon Daniel Kehlmann angetan.
Ganz große Vorfreude habe ich auf den Roman Gott der Barbaren von Steffen Thome. Vom Autor kenne ich zwei Romane, sein Grenzgang war okay (brillant komisch: »Wollt ihr den totalen Grenzgang?«), Pflaumenregen dagegen ganz hervorragend. Nach Taiwan nun also hinüber aufs Festland, ins China des 19. Jahrhunderts. Damit fangen die lehrreichen Dinge der Romanhandlung schon an, denn die handelnden Figuren können »China« gar nicht recht fassen. Es gibt kein »China«.
Im Fokus stehen die Kolonialkriege der Europäer, allen voran der Briten, sowie ein verheerender Aufstand, der das Land zutiefst erschüttert. Mir gefällt der mehrfache Perspektivwechsel, die Wurzeln einer der Hauptfiguren in der 1848er-Revolution in Deutschland (gab es da auch noch nicht, aber aus ganz anderen Gründen als China) und der beißende Spott, den der Autor über die Briten und ihr angeblich zivilisatorisches Projekt ausgießt. Schon in den ersten Kapiteln wird man sehr nachdenklich.
Bücher begleiten mich schon mein ganzes Leben, auf dem Leseweg habe ich sehr viele großartige Romane und Sachbücher lesen dürfen, von denen ich gern erzählen möchte. Das ist ein Grund, warum ich blogge.