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Günstiger kann man nicht einsteigen in ein großes Abenteuer.
Der Fairness halber: Band eins Eine neue Welt werde ich bei jedem neu erscheinenden Teil und bei anderer Gelgenheit wieder reduziert anbieten.
Barrikaden wurden in vielen Städten Europas errichtet, wie hier in Wien. Los ging es allerdings in Palermo, nach einem Vorspiel in der Schweiz. Cover DVA, Bild mit Canva erstellt.
Ein eher stiefmütterliches Dasein fristet die große europäische Revolution von 1848/49 im Geschichtsunterricht, möglicherweise auch im Studium des Faches. Vor derartigen Verallgemeinerungen sollte man sich normalerweise hüten, doch in diesem Fall gibt es einen guten Grund für das relative Desinteresse: Der Zivilisationsbruch nach 1933, dessen Gespenster auch nach der Niederlage von 1945 keineswegs verschwunden sind, ja, sogar wiederzukehren scheinen, überschattet mehr oder weniger alles andere in der deutschen Geschichte.
Höchste Zeit also, dass sich etwas daran ändert, nicht um die Schreckenszeit zwischen 1933 und 1945 zu relativieren, sondern sich von einer ganzen Reihe von allzu bequemen Irrtümern und naiven Klischees verabschieden. Christopher Clark hält in seinem monumentalen Werk Frühling der Revolution eine ganze Reihe von Zumutungen parat, die Sonderwegs- und Revolutionsphantasten gleichermaßen aufstoßen werden.
Clark richtet den Blick bewusst auf Europa, von Portugal bis zur Walachei bzw. Moldau. Er verzichtete darauf, sich der herkömmlichen nationalen Sichtweise anzuschließen und ebenso, die Februarrevolution in Frankreichals alleinigen und ausschlaggebenden revolutionären Ausgangsimpuls anzusehen – wie es zum Beispiel in einer Karte des frankozentrierten Altas Die Geschichte der Welt von Christian Grataloup geschieht.
Das Bild suggeriert, die Revolutionen von 1848/49 wären einem starken Impuls von Paris ausgehend entflammt; Christopher Clark zeichnet ein ganz anderes Bild, das den Anteil von Paris berücksichtigt, aber in vielfacher Hinsicht relativiert. 1830 war das übrigens etwas anders, denn da ging wirklich alles von Paris aus. Hilfreich ist die kleinere Karte, auf die globalen Auswirkungen der Revolutionen erahnbar werden.
Los geht es in – Palermo, nach einem Vorspiel in der Schweiz, dem so genannten Sonderbundskrieg 1847. Der Aufruhr in Sizilien Anfang 1848 war der eigentliche Impuls, Clark weist nach, dass davon in vielen Regionen Europas durchaus öffentlich die Rede war und eben nicht nur von den Ereignissen in Paris. Durch die Kommunikationskanäle jener Jahre mit einer Zeitverzögerung, die heute geradezu grotesk erscheint. Danach geschieht vieles gleichzeitig und zum Teil auch gegenläufig.
Ab Anfang März 1848 ist es unmöglich, die Revolutionen als lineare Abfolge von einem Schauplatz zum nächsten zu verfolgen. Wir treten in die Phase der Spaltung ein, in der fast gleichzeitige Explosionen komplexe Rückkopplungsschleifen entstehen lassen.
Christopher Clark: Frühling der Revolution
Durch diesen Ansatz ist es nahezu unmöglich, die Ereignisse chronologisch abzubilden – möglicherweise liegt hierin auch eine der Verlockungen der späteren Nationalisierung der Revolutionsgeschichte(n), mit erheblichen Folgen: Die Komplexität der Ereignisse und – ganz wichtig – ihre Verbindungen und gegenseitigen Beeinflussungen, aber auch die gleichzeitig an verschiedenen Orten ausbrechenden Empörungen verschwanden hinter dem Wahrnehmungshorizont.
Das ist nicht nur bedauerlich, sondern für die Gegenwart und das Verständnis von welterschütternden Ereignissen nachteilig. Clark hält den Februar 1848 für einen Tahir-Moment! Er stellt den so genannten »Arabischen Frühling« in eine Bedeutungslinie mit der großen europäischen Revolution von 1848/49. Beiden ist neben vielem anderen auch gemein, dass sie die Ziele der politischen, gesellschaftlichen und religiösen Emanzipation nicht erreicht haben.
Dennoch stellt sich die Frage, ob es nicht zu kurz greift, wenn man von einem Scheitern spricht, gar nicht zu reden von jenen, die den Aufständischen oder gar den »Völkern« dieser Region mangelnde Reife attestieren. Der Vorwurf der Unreife war bereits von 175 Jahren ein Mittel, mit dem Forderungen nach Emanzipation aller Art abgebügelt wurden.
Wie also sollte man die Revolutionen von 1848/49 bewerten?
War es wirklich nur eine jämmerliche Parodie der Revolution von 1789, wie Karl Marx meinte, oder sollte man dem bärtigen Kommunismus-Gläubigen unlautere Motive bei seiner Einschätzung unterstellen? Überhaupt ist Clarks Buch eine gute Anregung zum Weiterdenken – wie steht es allgemein mit Revolutionen und (gesellschaftlichem) Fortschritt? Waren die Revolutionen 1917/18 in diesem Sinne erfolgreich? Jene von 1989? Gab es jemals eine »erfolgreiche« Revolution?
Soziale Unzufriedenheit ›verursacht‹ keine Revolution – wenn sie das täte, käme es viel häufiger zu Revolutionen.
Christopher Clark: Frühling der Revolution
Die europäische Revolution von 1848/49 ist nicht im luftleeren Raum entstanden. Clark zeichnet eine Reihe von Entwicklungen in den Jahrzehnten vor dem umfassenden Aufruhr nach. Der so genannte »Pauperismus« etwa gilt vielen als wichtiger Faktor oder gar der Auslöser der Revolution, dem Clark jedoch widerspricht. Während der Lektüre verfestigt sich eher der Eindruck, dass die soziale Frage vor allem bremste, Ängste bei liberalen Kräften auslöste und diese die Seiten wechseln ließ, mit verheerenden Folgen für den Verlauf der Revolution.
Schon bei diesem Zusammenhang wird klar, wie erkenntnisfördernd Clarks Vorgehen ist. Er arbeitet die großen Unterschiede heraus, die zwischen den Regionen Europas bestanden und zeigt, dass es eben keine direkte Linie zwischen den zum Teil verheerenden sozialen Auswirkungen der Hungersnöte 1847 und dem Revolutionsausbruch 1848 gegeben hat. Bedeutungslos waren sie nicht, allein der Faktor Angst beeinflusste den Revolutionsverlauf beträchtlich.
»Arme dulden« und machen keine Revolution. Wer aber dann? Eine Revolution ist politisch, also müssen politisch denkende und agierende Menschen dafür verantwortlich sein. Es gab zwischen dem Sieg über Napoleon Bonaparte und 1848 zahlreiche Aufstände, Erhebungen, Umstürze und Revolutionen, viele davon wurden wie Verschwörungen geplant und durchgeführt – der Staat wappnete sich mit Polizei und Militär geschickt dagegen. Aber 1848/49 half das wenig, denn mit den Massen, die den politischen Protestaktionen spontan in die öffentlichen Räume folgten, hatte man nicht gerechnet.
Das Militär und die Polizei in Paris – wie in vielen anderen Städten in ganz Europa – hatten sich in den vergangenen 18 Jahren auf die falsche Revolution vorbereitet.
Christopher Clark: Frühling der Revolution
Clark erklärt vor seiner Schilderung der Revolutionsereignisse zunächst einmal ausführlich jene Welt vor 175 Jahren. Bei den Ordnungskonzepten erwies sich ausgerechnet die Macht des Mannes über die Frau, insbesondere in der Ehe an, als unantastbar, während andere Bastionen zumindest ins Wanken gerieten: Feudalismus, Adelsprivilegien, Zunftrechte, Sklaverei. Die »geschlechtsbedingte Ungleichheit [wehrte] sich am hartnäckigsten gegen jede Veränderung.« Eine ebenso ernüchternde wie bittere Erkenntnis.
Bei dem Versuch, rückblickend Ordnungsprinzipien bzw. -gruppierungen zu erdenken, macht das disparate und von hoher Mobilität gekennzeichnete Verhalten Probleme. Es fällt schwer, zum Beispiel »Liberale«, »Demokraten« oder »Radikale« genau zu fassen; selbst »Konservative« unterschieden sich grundlegen. Ein Konservativer, der Revolutionäre für irregleitet hält, ist grundverschieden von einem, der in ihnen »satanische Rebellen gegen Gott« sieht.
Die französische Revolution von 1830 ist tatsächlich eine Art Initialzündung für nachahmende Aufstände in Italien, Polen und Deutschland gewesen, die massive Enttäuschung bezüglich der Ergebnisse führte zu politischen Oppositionsbewegungen in den Jahren danach. Es entspann sich ein reges Katz- und Mausspiel zwischen Opposition und Staat, das in Palermo am 12. Januar 1848 jäh endete und in einen Aufstand mündete, der zuvor per Plakat (!) angekündigt wurde.
Das ist nur die erste der an Kuriositäten reichen Geschichte der europäischen Erhebungen 1848/49, die insgesamt zeigen, wie dünn der Firnis ist, der eine scheinbar stabile Ordnung von ihrem Untergang trennt. Warum führte ausgerechnet die Revolutionen von 1848 zu einem – recht kurzen – Erfolg, nachdem so viele Anläufe zuvor scheiterten? Eine Antwort:
Das Militär und die Polizei in Paris – wie in vielen anderen Städten in ganz Europa – hatten sich in den vergangenen 18 Jahren auf die falsche Revolution vorbereitet.
Christopher Clark: Frühling der Revolution
Ein Blick nach England, das sich irrigerweise im Glauben wähnt(e), eine selbst angedichtete liberale Verfassung hätte einen Aufstand mehr oder weniger unnötig gemacht, offenbart die Bedeutung von umfassenden und geeigneten Sicherheitsmaßnahmen. Knüppel in großer Zahl haben auf der Insel schon den Aufruhr im Ansatz niedergehalten und hätten dank schierer Masse auch weiterreichende Ansätze erstickt, argumentiert Clark.
Das Regime in Großbritannien war besser vorbereitet als die auf dem Kontinent. Clark sagt mehrfach, dass man etwa in Frankreich auf den falschen Aufstand eingestellt war, in Deutschland waren die geheimdienstliche Gegenmaßnahmen vor 1848 sehr erfolgreich, dann aber zunächst nicht mehr. Für die Gegenwart lässt sich daraus die Lehre ziehen, dass die Erhebung 2020 in Belarus mit geringen Chancen in die Schlacht zog, stand hinter Lukaschenko doch Putin und ein ruchloses, erprobtes und ausgeklügeltes Repressionsmanagement.
Die Revolutionen von 1848/49 sind in eine erfolgreiche Gegenrevolution übergegangen, was durchaus als »Scheitern« interpretiert werden kann. Wer Clarks Darstellung aufmerksam folgt, merkt bereits während der Phase der Etablierung der neuen Revolutionsherrschaft, dass dieses »Scheitern« bereits hier seinen Anfang nimmt. Ein Beispiel: Steuern sind unbeliebt, aber nötig, um zu regieren; sie wirken aber wie Wasser und Sand auf das revolutionäre Freudenfeuer und führen zu Streit unter den Revolutionären.
Noch problematischer war der Gegensatz zwischen Stadt und Land, der verschärft wurde, durch eine leichtfertige und hartnäckige Ignoranz gegenüber den Verhältnissen außerhalb der urbanen Zentren – dort aber wohnte, arbeitete und litt die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung. Sie ging den revolutionären Bewegungen rasch verloren, auch dort, wo die Landbevölkerung gegenüber den Erhebungen grundsätzlich positiv eingestellt war, weil ausnahmsweise von den Revolutionären auf die wenigen Einsichtsvollen gehört wurde. Aber auch in diesen Fällen ließen sich komplexe, vertrackte und von den bisherigen Privilegierten bis aufs Blut bekämpfte Strukturen nicht so einfach durch bessere ersetzen.
In Neapel zeigte sich, dass die Konterrevolution noch ein paar Asse im Ärmel hatte.
Christopher Clark: Frühling der Revolution
Ein ganz wichtiger Faktor, der bisweilen übersehen wird, ist die Stärke der Reaktion, der Konservativen, Adeligen, Monarchen und vor allem anderen: des Militärs. Einmal nur, in Baden, sind reguläre Truppen in nennenswerter Zahl auf die Gegenseite gewechselt, was 1849 zu einer ausgedehnten militärischen Kampagne mit großen Schlachten führte. Ungarn wäre vielleicht auch noch zu nennen, da waren die Verhältnisse jedoch anders und noch viel komplexer als in Süddeutschland. In beiden Fällen waren die Aufständischen der Gegenrevolution militärisch hoffnungslos unterlegen.
Die Verlässlichkeit des Militärs (und des Polizeiapparates) ist das vielleicht größte Plus gewesen, auf das sich die Gegenrevolution im Verlauf der Revolution stützen konnte. Dem hatten die Aufständischen nichts entgegenzusetzen, sie schwächten sich vielmehr selbst und spalteten sich entlang der scharf gezeichneten Bruchlinien auf. Psychologisch war die Revolution am Ende, als sie sich selbst entzauberte, indem sie ihr Angstpotential einbüßte. Das geschah wieder nicht in Paris oder Berlin, sondern in Neapel.
Zu den Kuriositäten, die auch Anfang des 21. Jahrhunderts nachdenklich machen sollten, gehört, dass es den Konterrevolutionären gelang, das Volksempfinden auf ihre Seite zu bringen. Clark zeigt wunderbar auf, wie auf das »Abflauen der Revolution« eine verblüffende »Mobilisierung des Volkes gegen sie« folgte. Das entspricht nun gar nicht den Bullerbü-Versionen von Revolutionen, wie sie in Romanen und Filmen so gern transportiert werden.
Überall in Europa waren Schaulustige und Dummköpfe entscheidend für die wechselhafte Mechanik der Machtverhältnisse.
Christopher Clark: Frühling der Revolution
Auch sind die Vorgänge um die Wahl Louis-Napoléon Bonapartes zum Präsidenten Frankreichs am 10. Dezember 1848 in höchstem Maße bedenklich. Es war ein völlig unerwarteter Erdrutschsieg, in dem Bonaparte fast drei Viertel (!) der Stimmen erhielt. Das Ergebnis wurde vorher als unwahrscheinlich erachtet, im Nachhinein als unvermeidlich dargestellt. Die Kalkulation der vorgeblich klugen, einsichtigen Konkurrenten waren offenkundig grundfalsch. Da der Mensch sich nicht ändert, dürfte derlei auch der der Gegenwart wieder vorkommen. Und wer dächte jetzt nicht an Trump?
Interessant ist auch, dass Russland während des voluminösen Buches recht wenig Raum einnimmt und wenn, dann in der Rolle der konterrevolutionären Interventionsmacht. Die konservativen und reaktionären Kreise des Landes, aber auch die Linken, Progressiven wandten sich massiv gegen »den Westen«, aus unterschiedlichen Motiven, doch mit allzu vertrauten Argumenten und der Erkenntnis, die man immer wieder berücksichtigen sollte: Russland gehört(e) nicht zu Europa.
Der Frühling der Revolution von Christopher Clark ist ein herausragendes, monumentales, vielschichtiges und hervorragend argumentierendes Werk über die Revolutionen von 1848/49 in Europa, das dem Leser allein durch seinen Umfang einiges abverlangt. Der Autor schreibt in einer fesselnden Weise, bleibt dabei differenziert und klar, was es enorm erleichtert, die Entwicklungen an so vielen Schauplätzen nachzuvollziehen. Die Zeit, die es braucht, ist gut investiert, denn man versteht die Vergangenheit und Gegenwart sehr viel besser, weil man die richtigen Fragen stellt.
[Rezensionsexemplar]
Christopher Clark: Frühling der Revolution Aus dem Englischen von Norbert Juraschitz,Klaus-Dieter Schmidt, Andreas Wirthensohn Hardcover 1.168 Seiten mit 42 s/w-Abbildungen und 5 Karten ISBN: 978-3-421-04829-5
Eine große Freundschaft zweier sehr unterschiedlicher Jungen bildet ein zentrales Motiv der Abenteuerreihe Piratenbrüder.
Joshua und Jeremiah begegnen sich unter dramatischen Umständen und freunden sich dennoch an. Die Freundschaft der beiden hält ein Leben lang, obwohl am Anfang nicht viel dafür spricht, zu unterschiedlich sind ihre Charaktere; schwerer wiegt noch ihre jeweilige Herkunft.
Joshua stammt aus wohlbehüteten und begüterten Verhältnissen. Sein Onkel William ist steinreicher Fernhändler, nach dem Tod seiner Eltern lebt Joshua bei ihm in England unter den behütenden Händen einer Gouvernante Mrs. Norway. Auch Jeremiah ist Waise, er ist durch einen puren Zufall vor dem Tod gerettet worden und führt ein Leben als Schiffsjunge – auf einem Piratenschiff.
Jeremiahs Herkunft bleibt zunächst im Dunkeln, einige wenige Dinge über seine Rettung erfährt der Leser im zweiten Teil der Buchreihe, Chatou.
Während Joshua übervorsichtig und äußerst zurückhaltend auftritt, ist Jeremiahs Selbstbewusstsein scheinbar grenzenlos. Für den Kaufmannsneffen ist das Verlassen der Kutsche im Londoner Hafen bereits eine Zumutung, während der Schiffsjunge zu diesem Zeitpunkt bereits seine Feuertaufe überstanden hat und scheinbar nichts fürchtet.
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Beide Jungen verändern sich durch ihre Freundschaft und ihre abenteuerlichen Erlebnisse, ich habe allerdings genau darauf geachtet, dass beide Figuren nicht zu einer Kopie der anderen werden. Sie entwickeln sich jeder auf ihre Weise, lernen voneinander, bleiben sich selbst aber bis zum Ende treu.
Natürlich gibt es Spannungen, denn jener große gesellschaftliche Graben zwischen beiden lässt sich nicht schließen, ja nicht einmal richtig überbrücken. Und dann ist da ja noch Alba, eine bildschöne Spanierin, an die Joshua sein Herz verliert.
Wie endet also diese in jeder Hinsicht abenteuerliche Freundschaft der beiden Jungen? Sie sind um das Jahr 1717 geboren, von heute aus gesehen schon lange tot. Die Frage ist nur, wann und wie sie gestorben sind. Eine Antwort darauf gibt es im letzten Band der Reihe Opfergang.
Ein großartiger Kriminalroman vor einer bedrückenden historischen Kulisse ist Volker Kutscher mit »Marlow« gelungen, dem siebten Fall von Gereon Rath. Cover Piper, Bild mit Canva erstellt.
Den Lesern der Romanreihe um den Kriminalkommissar Gereon Rath ist der Name Marlow natürlich bekannt. Dr. M, Unterweltboss in Berlin, undurchsichtig, durchtrieben, gnaden- und gewissenlos agierend, wobei er sich korrupter Polizisten bedient, um seine Ziele zu erreichen. Eines seiner besonderen Kennzeichen ist jener Chinese, der ihm als Chauffeur dient.
Wenn der siebte Teil der Reihe nun den Namen des Gangsters als Titel trägt, weckt das einige Erwartungen. Aus dem Vorgängerband klingt noch das Echo der Ereignisse nach, die Rath an und über seine Grenzen gebracht haben, ein erbarmungsloses und brutales Machtspiel hat ihn in die Enge getrieben, aus der er nur mit Mühe herausgekommen ist.
Rath hat beruflich und privat Federn gelassen und feststellen müssen, dass seine Beziehungen zur Unterwelt mindestens ebenso problematisch sind wie die neuen Spielregeln unter dem Hitler-Regime. Andere kommen mit den politischen Umwälzungen unter den Nazis besser zurecht. Johann Marlow tatsächlich noch nicht aus dem Spiel zu sein.
Ist er auch nicht, so viel darf an dieser Stelle wohl verraten werden. Um den Namen „Marlow“ hat Kutscher eine wirklich schöne Geschichte gesponnen, die zurückreicht in den Ersten Weltkrieg und die koloniale Zeit davor, als Deutschland in Afrika, dem Pazifik und eben auch China koloniale Gebiete besaß. Der Chinese in Marlows Fahrdienst ist nicht vom Himmel gefallen, das „Doktor“ vor dem »M« auch nicht.
Bei den Sanitätern kennt man den Tod nur als den der anderen.
Volker Kutscher: Marlow
Jeder habe seine Geschichte, heißt es immer, wenn es darum geht, eine Erklärung für Verhaltensweisen von Menschen zu finden. Das gilt auch für Romanfiguren wie Marlow, dessen Härte auf Zeiten zurückgeht, die im historischen Bewusstsein der Gegenwart gar keine Rolle mehr spielen. Wer weiß denn noch, wie deutsche Freikorps im Baltikum nach 1918 gewütet haben?
Es gehört zu den wunderbaren Eigenschaften der Romane um Gereon Rath, dass der Leser immer wieder mit diesen halb vergessenen historischen Umständen konfrontiert wird, ohne dass der Kriminalroman zu einer drögen Geschichtsstunde ausartet. Marlow erzählt davon, wie jemand in der Schmiede aus Krieg, Landsknechtdasein, grausamer Disziplin und emotionaler Kälte zu einem brutalen Ganoven wird.
Aus den vielschichtigen Spiel und Gegenspiel des Vorgängerbandes Lunapark ist die Hauptfigur Rath nicht unbeschadet hervorgegangen, das gilt auch für seine Frau Charlotte und in gewisser Hinsicht auch für ihren Pflegesohn Friedrich. Erfreulicherweise ist es Kutscher gelungen, das fortzuschreiben.
Ein subalterner Kollege blafft Rath ungewohnt offen wegen seiner Art an, seine Sekretärin sagt ihm daraufhin die Meinung, was bislang vor allem seine eigene Frau getan hat. Das setzt sich in Marlow auch fort, allerdings nimmt die Schärfe zu. Deutschland ist ein Unrechtsstaat, gelenkt von Verbrechern, viele suchen das Weite, andere beginnen, die Möglichkeit zu erwägen, um der sich ausbreitenden Dunkelheit zu entfliehen.
Einer musste es Ihnen ja mal sagen.
Volker Kutscher: Marlow
Rath wird am Anfang der Erzählung zu einem Verkehrsunfall gerufen, eigentlich ein Fall für weniger qualifiziertes Polizeipersonal, doch ein Unfallzeuge behauptet, es habe ein Mordversuch auf ihn stattgefunden. Zur Klärung wird der in Ungnade gefallene Kommissar Rath ausgewählt, eine undankbare Aufgabe.
Dank leichtfertiger Neugier unterläuft ihm jedoch ein Lapsus, denn der angebliche Unfall war keiner, wie der Leser schon im Prolog erfährt, aber auch nicht der vom übereifrigen Zeugen vermutete Mordanschlag, sondern eine gezielte Tötung. Ein Zufallsfund brisanter Dokumente im schrottreifen Auto bringt Rath in eine unschöne Lage, die er zunächst einmal mit einem Trick bereinigen kann.
Ein Irrtum, wie sich zeigt, denn der Kommissar wird immer tiefer in eine lebensgefährliche Auseinandersetzung zwischen Himmlers SS / SD und Göring verwickelt. Bei der Ausschaltung der SA zogen die Kontrahenten noch an einem Strang, doch im NS-Deutschland kämpfen die Ränge hinter Hitler um die Macht, ein Konflikt der neuen Eliten, der ohne jede Gnade mit größter Rücksichtslosigkeit geführt wird.
Die erste Ahnung, etwas falsch gemacht zu haben, überkam ihn, als er den Aufdruck »Geheime Reichssache« auf den beiden Aktenmappen las, die er aus dem braunen Umschlag zog.
Volker Kutscher: Marlow
Rath versucht auch hier lange Zeit, sich durchzulavieren, was jedoch schwieriger wird, weil die Skrupellosigkeit seiner Gegenspieler die Spielräume schrumpfen lässt. Nolens volens muss er nach Nürnberg fahren, der Stadt der Reichsparteitage und pompösen Aufmärsche, um eine haarsträubende Wiederbeschaffung der Akten durchzuführen, notdürftig getarnt vom Besuch seines Sohnes Friedrich, der mit der Hitlerjugend dorthin marschiert ist.
Dabei macht Rath eine erschütternde Erfahrung, als er Zeuge wird, wie Hitler im Auto an Spalier stehenden Volksmassen vorüberfährt und alles in ekstatischen Jubel ausbricht – der eigentlich unpolitische Kommissar wird davon mitgerissen. Eine gespenstische Szene, die so gut gelungen ist, dass der Leser den gewaltigen Sog zu spüren glaubt, dem sich der Protagonist nicht entziehen kann.
Er reißt wie alle anderen den Arm in die Höhe, immer wieder, »und dann hörte er, wie das Wort »Heil!« aus seinem Mund kam.« Rath versteht die Welt und vor allem sich selbst nicht mehr. Niemand hat ihn dazu gezwungen, den blutigen Gruß zu entbieten, niemand auf ihn geachtet, denn der vorüberfahrende Hitler hat alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie ein Schwarzes Loch im Weltall alles Licht. Trotzdem hat Rath sich hinreißen lassen.
Er, Gereon Rath, der in Berlin den Deutschen Gruß verweigerte und verschlampte, wo immer das nur möglich war, stand hier in Nürnberg am Straßenrand und riss getragen von der Masse und ihrem Rhythmus in einem fort den rechten Arm hoch.
Volker Kutscher: Marlow
Der NS-Staat etabliert sich, durchdringt auf propagandistische oder gewaltsame Weise den Alltag der Deutschen, die sich ihm immer schwerer entziehen können. Das ist möglicherweise die eigentliche Geschichte, die Kutscher en passant erzählt. Dabei sind die Ereignisse schwerwiegende genug, denn auch Charlotte Rath ist als Privatermittlerin und Anwaltsgehilfin mit Fällen befasst, die von der dunklen Zeit bestimmt werden.
Vor allem aber holt Charly die eigene Vergangenheit ein, denn die ist mittelbar mit dem Fall Raths eng verwoben, aber auch mit dem, was der ehemalige Oberkommissar und jetzige Privatermittler Böhm mit sich herumträgt – die „Kellergeister“, Fälle, die Polizisten nicht wieder loslassen wollen. Alles verstrickt sich immer weiter ineinander, dank der Umstände und schrumpfenden Spielräume ist eine „Lösung“ ferner denn je.
Auch Gereon Rath hat seine Kellergeister – einer davon ist Johann Marlow, der ihn seit vielen Jahren als nützlichen Polizisten schmiert und für seine Zwecke ausnutzt; davon hat auch Rath etwas, oft war ihm der Kontakt in die Unterwelt hilfreich. Die Nazis haben eigentlich dem Verbrechen den Kampf angesagt, doch kann ein Verbrecherregime, das seine Gegner in Mafia-Manier liquidiert, ernsthaft dieses Ziel verfolgen?
Was Rath da in seinen Händen hielt, war eine akkurat auf den Bügel gehängte SS-Uniform.
Volker Kutscher: Marlow
Das ist die übergeordnete Frage, die sich bei der Lektüre immer wieder stellt. Kann man überhaupt »anständig« bleiben in einem verbrecherischen System? Kann man sich darauf zurückziehen, nur Polizist zu sein, kein Nazi? Rath hat in Nürberg eine erschütternde Antwort bekommen, aber auch Böhm, Gennert und Charlotte müssten sich diese Frage stellen. Geben sie sich nicht einer Illusion hin?
Johann Marlow jedenfalls hat einen sehr konsequenten Weg beschritten, sich mit den neuen Verhältnissen zu arrangieren. Kurioserweise war er bereits außer Landes, doch hat er in den USA nicht reüssieren können und ist zurückgekehrt. Auf seine Weise profitiert er vom Unrechtsstaat, gewissen- und skrupellos, wie er ist. Dabei gerät er mit Gereon Rath aneinander, eine Zweckgemeinschaft zerbricht und es wird für den Protagonisten höchst bedrohlich.
Da noch drei weitere Romane folgen, ist es keine Überraschung, dass Rath am Ende davonkommt. Mit heiler Haut? Wohl kaum. Kutscher inszeniert das Finale von Marlow mit einem tollen erzählerischen Kniff, der diebische Freude aufkommen lässt, bis ganz am Ende das böse Erwachen folgt. Eigentlich möchte man nichts mehr, als sofort in den nächsten Band einzutauchen – doch das ist schon der drittletzte und der letzte lässt wohl noch auf sich warten. Also: Geduld.
Ein tolles Thema mit einer großartigen Perspektive und vielen interessanten Figuren; leider überwiegen am Ende doch die Schwächen dieser historischen Dystopie. Cover Heyne-Verlag, Bild mit Canva erstellt.
Das Genre lese ich selten, aber gern: eine historische Dystopie, in der das so genannte »Dritte Reich« den Zweiten Weltkrieg nicht verloren hat. Diese Formulierung ist mit Bedacht gewählt, denn Hitler wollte zwar Krieg, aber nicht unbedingt einen Sieg im Sinne eines neuen Friedens. In seinen Wahnvorstellungen sollte der Deutsche im Osten an einer stetig fechtenden Front sich stählen (sehr verkürzt dargestellt).
Der Roman von C.J. Sansom, der hierzulande unter dem Titel Feindesland vermarktet wird (im Original ein treffenderes Dominion), greift das Motiv ebenso auf wie etwa der brillante Thriller Vaterland von Robert Harris. Die Ostfront ist statt eines Stahlbads zu einer schwärenden Wunde des Reiches geworden, das zwar ganz Europa besiegt, mit England einen Frieden geschlossen und sein rassistisches Vernichtungsprogramm fast ganz durchgeführt hat, aber unter dem Dauerkrieg ächzt.
Mit dem Reich darbt auch ganz Europa, beste Voraussetzungen für das Aufkeimen von Widerstand, zumindest in der Welt, die C.J. Sansom erdacht hat. Auch in England gärt es, Botschafter Erwin Rommel wird anlässlich eines Gedenktages attackiert. Das ist der Ausgangspunkt für eine im Kern spannende und abenteuerliche Geschichte, die bevölkert ist mit vielen sehr interessanten Figuren.
Diese tummeln sich in einem England, das seine eigenen rechten Vorstellungen ebenso verwirklicht hat und in der Ideenwelt eines eigenständigen, mit Nazi-Deutschland verbündeten Großbritannien lebt: Das Empire gibt es Anfang der 1950er Jahre noch, diese Konstruktion ist ein verdeckter Kommentar zu den wirtschaftlichen Ideen eines auf den eigenen Herrschaftsbereich (Dominion!) beschränkten Landes auch in der Brexit-Gegenwart.
Diese Perspektive ist gut gewählt und bietet einen Ausblick auf eine düstere Welt, in der sich die USA dem Isolationismus verpflichtet, Japan in China in einem endlosen Krieg verbissen hat und England seine Kolonien brutal ausbeutet. Auch die durchaus vielschichtigen politischen und diplomatischen Manöver, die Teil des aktiven, d.h. auf das Geschehen einwirkenden Kulissen zählen, sind ein klarer Pluspunkt, sie verleihen dem Roman einen großen Mehrwert. Vor allem aber wird die unfassbare Monstrosität sicht- und fühlbar, die sich hinter bürokratischen Wortschleiern á la „Generalplan Ost“ verbirgt.
Weniger gelungen sind viele Kurzschlüsse in der Thriller-Handlung, allzu oft begreifen Figuren aller Seiten plötzlich etwas auf sehr kurzem Wege, wenn es gerade in den Handlungsverlauf passt; das mindert die Glaubwürdigkeit beträchtlich. Der Dynamik hätten eine konsequente Straffung gutgetan, viele Dialoge sind zu lang, redundant oder einfach unnötig. Manchmal flirren die Konturen der Figuren, wenn sie plötzlich aus der Rolle fallen oder in unangemessene Rührseligkeit ausbrechen – schade, denn die Persönlichkeiten sind grundsätzlich ansprechend.
Leider werden die Schattenseiten des Romans im Verlauf immer dichter, bis es zum Showdown kommt, schleppt sich die Handlung einige Zeit dahin wie ein Fußkranker, ehe der Leser ein groteskes Spektakel und ein fürchterlich naives Ende in Form eines Epilogs präsentiert bekommt. Das ist sehr schade, denn anfangs ist Feindesland ein großer Lesespaß, denn die Welt, die starr und dunkel zu sein scheint, gerät ganz erheblich ins Wanken.
Adolf Hitler ist schwerkrank, seine Umgebung scharrt mit den Füßen, den Machtkampf um die Nachfolge notfalls in einem selbstvernichtenden Bürgerkrieg auszufechten, eng verbunden mit der umstrittenen Frage, wie die Politik fortgeführt werden soll. Und über allem baumelt ein Alptraum namens Atombombe und eröffent eine vorzügliche Aussicht auf eine globale Selbstvernichtung.
C. J. Sansom: Feindesland Aus dem Englischen von Christine Naegele Heyne Verlag 2020 Taschenbuch 768 Seiten ISBN: 978-3-453-43942-9
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Aktuelle Lektüre
Das Sachbuch Fünfte Sonne von Camilla Townsend führt in die Welt eines indigenen Volkes in Amerika, das durch die Ankunft der Spanier beinahe vollständig vernichtet wurde. Ich erweitere meinen Horizont und bin sehr gespannt.