Schriftsteller - Buchblogger

Schlagwort: Zukunft von Gestern

Lesevorhaben Wiedergelesen – 4 für 2025

Vier der vielen Bücher aus meinem Regal, die ich bereits kenne, aber unbedingt noch einmal lesen und hier auf dem Blog vorstellen will.

Auch in meinem Regal stehen viele Bücher, die ich gern noch einmal lesen und auf meinem Blog vorstellen möchte. 2024 habe ich das genau einmal gemacht, mehr zufällig, weil ich auf die Umsetzung des genialen Romans Die Straße als Graphic Novel Die Strasse gestoßen bin.

Die Konkurrenz ist groß, Rezensionsexemplare, Geschenke, Spontankäufe (trotz Buchkaufdiät), Buchleihen (Stadtbiliotheken sind ein gefährlicher Ort!) und die vielen Bücher, die bereits gekauft wurden und endlich gelesen werden wollen, rangeln um das knappste aller Güter im menschlichen Leben: Zeit.

So also eine kleine extrinsische Motivation: 4rereadsfür2025. Für jedes Quartal eins, das dürfte zu schaffen sein. Und die Vorfreude ist riesig, denn die vier Bücher sind groß. Historisch-politisch, versteht sich.

Walter Kempowski: Alles umsonst
»Zoffort!« zu lesen, denn es spielt im Januar 1945, im Osten Deutschlands, über dem sich der Sturm der Vernichtung zusammenbraut – perfekt als Januar-Lektüre 2025

Gerd Ledig: Die Stalinorgel
Für mich der beste Frontkriegsroman, den ich kenne. Er schildert die Kämpfe 1942 vor Leningrad und zeichnet in einer Szene ein geniales Bild einer demoralisierten Wehrmacht

Friedrich Christian Delius: Die linke Hand des Papstes
Ein Ausflug nach Rom. Derart sarkastisch und bissig, dass ich das Büchlein zum drittel Mal lese; der Autor begegnet Papst Benedikt in einer evangelischen Kirche, kurz vor dessen Rücktritt

Robert Harris: Vaterland
Das Büchlein wurde bereits mehrfach gelesen, nicht nur von mir. Brillant in einen Thriller gegossene historische Dystopie um den verschwiegenen Holocaust in einer Welt, in der Hitler den Krieg gewonnen hat

Lesevorhaben 12 für 2025

Diese zwölf Bücher möchte ich im laufenden Jahr lesen. Das ganze ist eine so genannte Challenge, auf die ich bei Instagram gestoßen bin.

Sechs Romane und sechs Sachbücher habe ich für mein Lesevorhaben 12 für 2025 ausgewählt. Der Fokus liegt ganz eindeutig auf historisch-politischen Themen, auch bei Schubert (»und seine Zeit«). Ich erhoffe mir einen weiteren Horizont nach der Lektüre, um das »Schaffen« geht es mir nicht. Meine mir im Vorjahr selbst auferlegte Buchkauf-Diät bleibt bestehen.

Thomas Medicus: Klaus Mann
Biographie, Schriftsteller, kenne alle Romane

Stephan Thome: Gott der Barbaren
Roman, Historisch, China

Friedrich Christian Delius: Die Sieben Sprachen des Schweigens
Essays, Autobiographisch, toller Autor

Thomas de Padova: Allein gegen die Schwerkraft
Biographisch, Erster Weltkrieg, Einstein

Philip K. Dick: Das Orakel vom Berge
Roman, Historische Dystopie, Hitler hat den Krieg gewonnen

Stefan Hertmans: Krieg und Terpentin
Roman, Erster Weltkrieg, Perspektive belgisch-flämisch

Nino Haratischwili: Das achte Leben
Roman, Georgien, epischer Mehrgenerationenroman

Arthur Koestler: Sonnenfinsternis
Roman, Stalinismus, mein zweites Buch vom Autor

Peter Gülke: Franz Schubert und seine Zeit
Biographie, Komponist, mehrere Werke gehören zu meinen Favoriten

W.B. Bartlett: King Cnut
Biographie, Wikinger, neben Claudius & William der dritte Eroberer Englands

Robert Harris: Precipice
Roman, 1914, kenne fast alles von Harris

Mischa Meier: Die Völkerwanderung
Historiographie, es gab keine »Völker«, also auch keine »Völkerwanderung«

C. J. Sansom: Feindesland

Ein tolles Thema mit einer großartigen Perspektive und vielen interessanten Figuren; leider überwiegen am Ende doch die Schwächen dieser historischen Dystopie. Cover Heyne-Verlag, Bild mit Canva erstellt.

Das Genre lese ich selten, aber gern: eine historische Dystopie, in der das so genannte »Dritte Reich« den Zweiten Weltkrieg nicht verloren hat. Diese Formulierung ist mit Bedacht gewählt, denn Hitler wollte zwar Krieg, aber nicht unbedingt einen Sieg im Sinne eines neuen Friedens. In seinen Wahnvorstellungen sollte der Deutsche im Osten an einer stetig fechtenden Front sich stählen (sehr verkürzt dargestellt).

Der Roman von C.J. Sansom, der hierzulande unter dem Titel Feindesland vermarktet wird (im Original ein treffenderes Dominion), greift das Motiv ebenso auf wie etwa der brillante Thriller Vaterland von Robert Harris. Die Ostfront ist statt eines Stahlbads zu einer schwärenden Wunde des Reiches geworden, das zwar ganz Europa besiegt, mit England einen Frieden geschlossen und sein rassistisches Vernichtungsprogramm fast ganz durchgeführt hat, aber unter dem Dauerkrieg ächzt.

Mit dem Reich darbt auch ganz Europa, beste Voraussetzungen für das Aufkeimen von Widerstand, zumindest in der Welt, die C.J. Sansom erdacht hat. Auch in England gärt es, Botschafter Erwin Rommel wird anlässlich eines Gedenktages attackiert. Das ist der Ausgangspunkt für eine im Kern spannende und abenteuerliche Geschichte, die bevölkert ist mit vielen sehr interessanten Figuren.

Diese tummeln sich in einem England, das seine eigenen rechten Vorstellungen ebenso verwirklicht hat und in der Ideenwelt eines eigenständigen, mit Nazi-Deutschland verbündeten Großbritannien lebt: Das Empire gibt es Anfang der 1950er Jahre noch, diese Konstruktion ist ein verdeckter Kommentar zu den wirtschaftlichen Ideen eines auf den eigenen Herrschaftsbereich (Dominion!) beschränkten Landes auch in der Brexit-Gegenwart.

Diese Perspektive ist gut gewählt und bietet einen Ausblick auf eine düstere Welt, in der sich die USA dem Isolationismus verpflichtet, Japan in China in einem endlosen Krieg verbissen hat und England seine Kolonien brutal ausbeutet. Auch die durchaus vielschichtigen politischen und diplomatischen Manöver, die Teil des aktiven, d.h. auf das Geschehen einwirkenden Kulissen zählen, sind ein klarer Pluspunkt, sie verleihen dem Roman einen großen Mehrwert. Vor allem aber wird die unfassbare Monstrosität sicht- und fühlbar, die sich hinter bürokratischen Wortschleiern á la „Generalplan Ost“ verbirgt.

Weniger gelungen sind viele Kurzschlüsse in der Thriller-Handlung, allzu oft begreifen Figuren aller Seiten plötzlich etwas auf sehr kurzem Wege, wenn es gerade in den Handlungsverlauf passt; das mindert die Glaubwürdigkeit beträchtlich. Der Dynamik hätten eine konsequente Straffung gutgetan, viele Dialoge sind zu lang, redundant oder einfach unnötig. Manchmal flirren die Konturen der Figuren, wenn sie plötzlich aus der Rolle fallen oder in unangemessene Rührseligkeit ausbrechen – schade, denn die Persönlichkeiten sind grundsätzlich ansprechend.

Leider werden die Schattenseiten des Romans im Verlauf immer dichter, bis es zum Showdown kommt, schleppt sich die Handlung einige Zeit dahin wie ein Fußkranker, ehe der Leser ein groteskes Spektakel und ein fürchterlich naives Ende in Form eines Epilogs präsentiert bekommt. Das ist sehr schade, denn anfangs ist Feindesland ein großer Lesespaß, denn die Welt, die starr und dunkel zu sein scheint, gerät ganz erheblich ins Wanken.

Adolf Hitler ist schwerkrank, seine Umgebung scharrt mit den Füßen, den Machtkampf um die Nachfolge notfalls in einem selbstvernichtenden Bürgerkrieg auszufechten, eng verbunden mit der umstrittenen Frage, wie die Politik fortgeführt werden soll. Und über allem baumelt ein Alptraum namens Atombombe und eröffent eine vorzügliche Aussicht auf eine globale Selbstvernichtung.

C. J. Sansom: Feindesland
Aus dem Englischen von Christine Naegele
Heyne Verlag 2020
Taschenbuch 768 Seiten
ISBN: 978-3-453-43942-9

© 2025 Alexander Preuße

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