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Schlagwort: Spanischer Bürgerkrieg (Seite 2 von 2)

Leonardo Padura: Adiós Hemingway

Leonadro Padura hat den amerikanischen Schriftsteller in den Mittelpunkt dieses Romans gestellt, die Ermittungen durch Mario Conde sind Beiwerk – sie geben aber die Möglichkeit, den Literatur-Giganten und sein Werk zu kommentieren. Wunderbar! Cover Unionsverlag, Bild mit Canva erstellt.

Der amerikanische Schriftsteller Ernest Hemingway ist mir fremd. Ein einziges, kümmerliches Buch habe ich von ihm gelesen. Ich kann nicht einmal behaupten, »A Farewell to Arms« hätte mir nicht gefallen, im Gegenteil: Soweit ich es nach mehreren Jahrzehnten noch in Erinnerung habe, mochte ich das Buch.

Ich glaube mich sogar an eine spezifische Textstelle zu erinnern, in der Hemingway seiner Hauptfigur Gedanken über die Kampfkraft von Österreichern (Operettenarmee) und Deutschen (gefährlich) andichtet. Ein Erinnerungsfetzen über eine so lange Zeit ist gewöhnlich ein untrügliches Zeichen dafür, dass ein Buch bei mir etwas hinterlassen hat.

Je mehr man beim Schreiben eigene Wege geht, umso einsamer wird man.

Leonardo Padura: Adiós Hemingway

Und trotzdem Funkstille. Auch in anderen Romanen, die ich bislang gelesen habe, tauchte der Name Hemingway sehr selten auf. Das hat sich jüngst geändert.  Steffen Kopetzky lässt in „Propaganda“ seinen Protagonisten John Glueck mit dem Großmeister der US-Literatur im Jahr 1944 nahe Paris zusammentreffen.

Das geschieht zu einem Zeitpunkt, da dieser bereits »fett« geworden ist und zu straucheln beginnt, auf der Suche nach dem großen Roman über den Zweiten Weltkrieg, dem amerikanischen »Krieg und Frieden«. Trotz der Zwischentöne ist dieser Hemingway noch lichtumflort, seine Tragik beginnt sich nur abzuzeichnen, ganz im Gegensatz zu »Cheminguey« im Roman »Adiós Hemingway« von Leonardo Padura.

Die lange Auffahrt zu dieser Buchvorstellung sei mir verziehen, aber im Kern geht es Padura um den Schriftsteller, auch wenn er das ganze hinter einem sehr durchsichtigen Wandschirm namens Kriminalfall verbirgt. Der Autor reaktiviert seinen in Frührente gegangenen Ermittler Mario Conde und schickt ihn auf die Suche nach dem Mörder eines Toten auf der Finca Virgía, Hemingways Residenz auf Cuba.

Nun war er ein beschissener Privatdetektiv in einem Land, in dem es weder Detektive noch Privatleben gab, mit anderen Worten: Er war eine schiefe Metapher in einer schiefen Wirklichkeit.

Leonardo Padura: Adiós Hemingway

Padura geht es in seinen Romanen immer um diese wundervoll formulierte »schiefe Wirklichkeit« unter der Zuchtrute des diktatorischen Regimes mit rostroter Farbe. Hemingway hat davon nichts mehr mitbekommen, zu seinen Zeiten auf der Insel waren Castro und Guevara ein fernes, sich näherndes Unwetter revolutionärer Umtriebe. Wenn also auf der zweiten Zeitebene des Buches von dem Titanen der amerikanischen Literatur die Rede ist, dann geht es um die Zeit vor der Revolution.

Wer sich politisch nicht auskennt, möge vielleicht einen kurzen Blick auf den entsprechenden Artikel bei Wikipedia werfen, um zu verstehen, wie mehrschichtig die Ambivalenz ist, mit der ein cubanischer Schriftsteller fast vier Jahrzehnte nach dessen Tod  dem amerikanischen »Gast« auf der Insel begegnet. Besonders dieser Umstand macht »Adiós Hemingway« für mich so lesenswert.

…wie sehr Hemingway in seiner naiven Eitelkeit zu einem Instrument in den Händen der stalinistisches Propaganda geworden war.

Leonardo Padura: Adiós Hemingway

Mario Conde ist zum Zeitpunkt der Niederschrift dieses Romans bereits in vier anderen Büchern auf Verbrecherjagd gegangen, ehe er den Job eines Polizisten geschmissen hat, schriftstellert (bis dahin unerfüllte Sehnsucht) und als Antiquar seine Brötchen verdient. Hemingway ist für ihn eine gewaltige Inspiration gewesen, bis er sich anlässlich der immer deutlicher werdenden Schattenseiten von ihm distanzierte; ihn zu verachten, ja fast zu hassen begann.

Ihm bietet sich nun die Gelegenheit, Hemingways langer (und explizit aufgeführter) Liste an Charakterschwächen eine weitere, schwerwiegende hinzuzufügen: Mord. Die Jagd nach den Hintergründen, die zum Tod der Person geführt hat, die auf dem Grundstück der Villa gefunden wurde, wird zum Kampf um das Erbe des Schriftstellers. Aber auch um  die Frage, ob man eine Gelegenheit nutzen oder Gerechtigkeit walten lassen will, und um den Platz, den der Testosteron-Schreiber erhalten soll.

Vor allem jedoch beschwerte ihn die Schuld, stets das Leben der Literatur, das Abenteuer der schöpferischen Kunst vorgezogen zu haben.

Leonardo Padura: Adiós Hemingway

Padura lässt Hemingway selbst zu Wort kommen, denn sein Roman hat zwei Zeitebenen. Für mich immer eine willkommene Erzähltstruktur. Die beiden Erzähllinien sind gut miteinander verknüpft, wer sich für den Mordfall interessiert, wird einen Hauch Spannung empfinden. Vor allem aber bietet es für Padura die unschätzbare Möglichkeit, seine Haltung zu Hemingway darzulegen.

Es soll nicht allzu viel vorweggenommen werden, aber sie ist natürlich indifferent. Padura hat sich dafür entschieden, die allerletzte Lebensphase Hemingways zum Leben zu erwecken, als der Lebenswandel massiv auf die Gesundheit und die Fähigkeit, etwas zu Papier zu bringen, durchschlug. Eine tragische Gestalt im Schatten seiner selbst.

Er hatte einen vom Leben besiegten Mann gesehen. Einen Monat später hat er sich erschossen.

Leonardo Padura: Adiós Hemingway

Was mich besonders angesprochen hat, ist der Aspekt des Schreibens. Von (fast) allen klischeehaften, naiven Vorstellungen ist »Adiós Hemingway« weit entfernt, Schreiben ist immer eine Art gewalttätiger Auseinandersetzung, wenn man nicht nur Worte aneinanderreiht, um dem Leser Handlungsspannung zu bieten.

Am Ende dieses kurzen und kurzweiligen Buches ist man als Leser reicher. Hemingway tritt in einer ganz besonderen Gestalt hervor, ein Schriftsteller, der den Nobelpreis nicht persönlich angenommen, aber auch nicht verweigert hat, ein Amerikaner, der in den USA nicht mehr leben konnte und auch nicht zum Cubaner wurde, zwar auf der Insel, aber nicht mit ihren Bewohnern lebte und sich nie in eine Cubanerin verliebte. Aber eben auch jenen, der den einfachen Menschen zuhörte, wenn er mit ihnen Zeit verbrachte.

Leonardo Padura: Adíos Hemingway
Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein
Unionsverlag 2013
Broschiert 192 Seiten
ISBN: 978-3-293-20614-4

Lydie Salvayre: Weine nicht

Ein seltsam klingendes Zitat aus dem preisgekrönten Roman, doch hat der Krieg für die Hauptfigur die Tür aufgestoßen, durch die sie ihren Verhältnissen entkommen konnte. Kurzzeitig. Cover Blessing, Bild mit Canva erstellt.

Der Spanische Bürgerkrieg ist in der Literatur vielfach thematisiert, berühmte Schriftsteller wie George Orwell („Mein Katalonien“) oder Ernest Hemingway („Wem die Stunde schlägt“) haben über ihre Erlebnisse berichtet, es gehören literarische Perlen wie das Buch von Almudena Grandes („Der Feind meines Vaters“) und viele andere dazu. Auf dem vorzüglichen Literaturblog Kaffeehaussitzer findet man ein Leseprojekt Spanischer Bürgerkrieg, das eine anregende Buchliste enthält.

2014 hat die Verleihung des französischen Literaturpreises Prix Goncourt ein weiteres Buch ins Rampenlicht gestellt: Weine nicht. Deren Autorin, Lydie Salvayre, hat Wurzeln, die nach Spanien reichen. Sie wurde als Tochter einer Frau geboren, die gerade noch vor den siegreichen Streitkräften des faschistischen Diktators Franco fliehen konnte. Ihr Roman nähert sich dem Thema auf besondere Weise.

Der Spanische Bürgerkrieg gilt vielen als Präludium für den Zweiten Weltkrieg. Das ist etwas eurozentrisch gedacht und auf das Deutsche Reich fokussiert, das in Spanien mit der so genannen „Legion Condor“ Franco unterstützte, während die Verteidiger der Republik nur durch die Sowjetunion Unterstützung erhielten – zu einem hohen Preis, was in Weine nicht dankbarerweise nicht verschwiegen wird: Stalin schickte Waffen und Terror nach Spanien, dem mehrere zehntausend Menschen zum Opfer gefallen sind.

Vielfältige Perspektiv- und Zeitwechsel

Selbstverständlich werden auch die Hinrichtungen durch die Franco-Faschisten nicht übergangen. Die Darstellung ist besonders eindrücklich, weil die Autorin dafür die Perspektive des konservativen Katholiken George Bernanos wählt. Erschüttert durch die Brutalität und die ignorante, menschenverachtende Haltung der Katholischen Kirche räumt der Mann seine politische Position und dokumentiert die Gräueltaten in seinem Werk: Die großen Friedhöfe unter dem Mond.

Schlimme Zeiten für die, die Heilslehren aller Art misstrauten und die lieber ihrem Gewissen gehorchten als doktrinären Einpeitschern der einen oder anderen Seite.

Lydie Salvayre: Weine Nicht

Salvayre lässt Teile daraus und andere Dokumente geschmeidig in ihren Roman einfließen, ihre Erzählung wandelt spielerisch zwischen faktenreicher Darstellung, Erzählung und Erinnerung, Fiktion und Auszügen aus Quellen. Die Handlung spielt auf mehreren zeitlichen Ebenen, die Autorin mischt kräftig mit, erläutert und kommentiert ihren Schreibprozess, außerdem ist die Interpunktion sehr freizügig gestaltet.

Beeindruckende Leichtigkeit

Der Roman rutscht trotzdem zu keinem Zeitpunkt in ein undurchsichtiges Wirrwarr ab und erzählt mit einer wunderbaren Leichtigkeit. Das liegt auch daran, dass ihm im Kern eine (tragische) Liebesgeschichte als Leitfaden eingewoben wurde. Die Hauptfigur, Montserrat, schließt sich mit ihrem Bruder den Verteidigern der Republik an. Für kurze Zeit erlebt sie Freiheit und ihre große Liebe.

Der Krieg, meine Liebe, ist genau zum rechten Zeitpunkt gekommen.

Lydie Salvayre: Weine Nicht

So ist das Zitat auch zu verstehen, dass der Krieg zum rechten Zeitpunkt gekommen wäre. Diese flammende Liebe mündet in ein würgendes Desaster, mit lebenslangen Folgen. Es gehört zu den großen Stärken des Buches, dass es den Leser einmal nachempfinden lässt, wie weit die Schatten eines Krieges reichen, auch wenn die Kampfhandlungen lange beendet sind.

Zum Zeitpunkt dieses persönlichen Liebes-Desasters machen Montserrat und ihr Bruder Erfahrungen mit der grausamen Realität der Kriegführung. Die Ideale sind menschenverachtender Ideologie gewichen, auch die Sache der Verteidiger der Republik hat ihren Glanz eingebüßt. Auch aus diesem Grund kehren beide in ihre Heimat zurück.

Besonders wertvoll macht diesen Roman der Umstand, dass er eindrücklich nacherzählt, wie sich die Haltung der Bevölkerung in Montserrats Heimatort gegenüber Revolution und dem sich abzeichnenden Sieg der Franco-Seite wandelt. Wer von Umstürzen träumt, sollte hier genau lesen und zuhören, denn so einfach ist die Sache nicht, auch wenn zu Beginn einer Umwälzung die Begeisterung groß ist.

Leider ist der Roman nur noch antiquarisch erhältlich.

Lydie Salvayre: Weine nicht
aus dem Französischen von Hanna von Laak
Blessing 2016
Hardcover 256 Seiten
ISBN: 978-3896675644

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