Ein beliebtes Thema in Buch und Film, aber nicht unter Piraten: der Aussteiger.

Wer wie ich 1968 geboren und in den siebziger und achtziger Jahren sozialisiert wurde, kennt das Phänomen des sonntäglichen Piraten– und Seefahrerfilms. Ganz unterschiedliche Streifen geistern durch mein löchriges Gedächtnis, vom klamaukischen Roten Korsar über Pippi Langstrumpfs Abenteuer bis hin zu Captain Horatio Hornblower als königlicher Admiral.

Angereichert wurde dieses Fundament durch Polanskis Komödie »Piraten«, die wunderbare Animationsversion von Stevensons Schatzinsel als »Schatzplanet« in ferner Zukunft bis hin zum Zombieschauermärchen um Captain Jack Sparrow.

Vorlagen und Anregungen gab es von dieser Seite eine ganze Menge. Die üblichen Clichés auch – die Frage war nur: Gibt es etwas, das noch nicht erzählt wurde? Zumindest in den Filmen und Büchern, an die ich mich erinnern kann, fehlt ein Motiv, das in anderen Genres außergewöhnlich beliebt ist: der Aussteiger – aus einem kriminellen Milieu.

Demnächst wird es eine Fortsetzung des wunderbaren Action-Klassikers »Heat« geben – in der Kinoversion wollte auch jemand sein Kriminellendasein ablegen; »Narcos« oder »Narcos Mexiko«, »4Blocks«, in den Kartell-Romanen von Don Winslow – überall ist das Motiv eines versuchten Ausstiegs Teil des Geschehens.

Aber Piraten?

»Joshua hatte noch nie gehört, dass ein Pirat von sich aus aufhören wollte, Pirat zu sein. Sie wurden gejagt, gestellt, verurteilt und gehenkt. Aber aussteigen?«

Alexander Preuße: eine neue Welt – Piratenbrüder Band 1

Einem meiner Protagonisten geht es ähnlich wie mir: Er hat noch von keinem Piraten gehört, der sein Handwerk freiwillig aufgeben wollte.

Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, mir vor dem Schreiben dieses Motiv ausgesucht zu haben. Ich plotte nicht, sondern schreibe mich Schritt für Schritt ins Dunkel hinein. Am Anfang eines Satzes kenne ich nicht einmal dessen Ende. Letztlich folgte ich einer spontanen Regung, als ich – zu welcher Gelegenheit wird nicht verraten – beschloss, jemanden diesen Pfad verfolgen zu lassen.

Während der Recherche in den vergangenen Jahren ist mir vor Augen geführt worden, wie kompliziert und vielschichte, von Grauzonen und Nebelbänken durchzogen dieses Thema wirklich ist. Hier soll jetzt aber eine andere Figur zu Wort kommen und eine naheliegende Frage stellen:

Und für welchen Piraten gilt das nicht, capitán? Welcher Pirat ist jemals dem Galgen entkommen und hat als gewöhnlicher Bürger seine Reichtümer genießen können?

Alexander Preuße: Opfergang – Piratenbrüder Band 7

Die Antwort fällt ernüchternd aus. Ausgerechnet John Avery wird nachgesagt, dass es ihm gelungen sei, in Irland an Land zu gehen und unterzutauchen. Er kann für sich in Anspruch nehmen, den einträglichsten Beutezug unternommen zu haben, begleitet von unsäglichen Torturen, Vergewaltigungen, Überbordwerfen und Aussetzen seiner Opfer, die nicht direkt getötet wurden.

Untertauchen heißt aber, eine Form der Illegalität durch eine andere zu ersetzen. Von bürgerlichem Dasein, wie die Figur mit spanischem Akzent fragt, kann also keine Rede sein. Die Frage ist: Gibt es noch einen anderen Weg? Ein Generalpardon des Königs wäre einer, allerdings ist das mit erheblichen Schwierigkeiten behaftet, wenn der Ruf so ruiniert ist, wie der von Einauge bzw. Elijah O’Stone.

Wer nicht nur aussteigen und verschwinden will, sondern die Rückkehr in die Gesellschaft anstrebt, muss einen langen, harten und mit geringer Aussicht auf Erfolg behafteten Weg zurücklegen. Einauge hat dabei noch mit seinem Erzfeind, John Black, und dessen mächtigen Verbündeten zu kämpfen, die alles daransetzen, ein Generalpardon durch King George zu verhindern.

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