In der Philosophie bin ich nur Zaungast. Für mich ist das Buch Hegels Welt von Jürgen Kaube perfekt geeignet, um mich an und über meine Grenzen des Verständnisses hinauszuführen, gleichzeitig einen umfassenden Einblick in Zeit und Welt des Gelehrten zu erhalten.
Hegel lebte in einer Zeit tiefgreifender Umwälzungen. Die Aufklärung sorgte für beträchtliche Unruhe, ehe die Französische Revolution ganz Europa in Aufruhr versetzte. Hegel hat das nicht vor Ort in Frankreich, wie manch anderer flammender Geist, sondern aus der Ferne verfolgt. Ebenfalls die Entartung dieser Revolution zum jakobinischen Terror und ihre Häutungen hin zur Alleinherrschaft Napoleon Bonapartes.
Dessen Kriegszüge führten auch nach Deutschland, mitten hinein in Hegels Welt, der realen wie gedanklichen. Davon erfährt man viel, auch welchen Einfluss beides auf den Denker und seine Anhänger und Gegnerausübte; aber auch hier gilt, was eingangs bereits gesagt wurde: Ich bin bei den ausführlich geschilderten philosophischen Gedankengängen an meine Verstehensgrenzen gestoßen.
Besonders interessant war für mich der berufliche und private Weg Hegels. Das akademische Leben zu dieser Zeit unterschied sich dramatisch von dem der Gegenwart, daher sind die Ähnlichkeiten bemerkenswert, etwa wie sich erste Netzwerke bildeten, die zur gegenseitigen Unterstützung fungierten. Bis er einen bezahlten Posten zu erhielt, musste Hegel als Hauslehrer und Schulmeister arbeiten, als Leser erhält man auf diesem Wege erhellende Einblicke in die Lebensumstände dieser Zeit.
Wirklich überrascht hat mich, wie Hegel über Schule nachgedacht hat. Sein Ansatz und der seiner Gegner stehen sich bis in die Gegenwart gegenüber, zumindest im Grundsätzlichen. Autor Jürgen Kaube schildert ausführlich, wie Hegel sich schulisches Lernen vorstellt – man kann das auf die Gegenwart übertragen und zum Beispiel anhand der Frage, ob Latein oder lieber Informatik bzw. Wirtschaft Schulfach sein sollte, durchdeklinieren.
Ein tiefer Schatten liegt über Hegels Sicht von und Handeln gegenüber Frauen, insbesondere seiner Schwester. Schaudernd möchte man sich angesichts des Unheils abwenden, dem diese – auch dank ihres gedankenlos agierenden Bruders – ausgesetzt war. Das aber gehört genauso zu „Hegels Welt“ wie jene Gedanken und Werke sowie das akademische Wirken des Philosophen und findet zum Glück angemessene Beachtung in diesem vorzüglichen Sachbuch.
Jürgen Kaube: Hegels Welt
Rowohlt Berlin 2020
Gebunden 592 Seiten
ISBN: 978-3-87134-805-1
0 Kommentare
1 Pingback