Ein besonderes Tagebuch aus der Ukraine, in dem eine Zwölfjährige über ihre ersten Tage in Charkiw während des russländischen Angriffskrieges berichte. Cover Kaur, Bild mit Canva erstellt.

Am Dritten Tag des Krieges hat die zwölfjährige Yeva bereits gelernt, die Entfernung von Explosionen anhand des Knall-Lautes abzuschätzen. Da ist sie schon nicht mehr in ihrer Wohnung in Charkiw, sondern mit ihrer Oma bei einer Freundin untergekommen. Zum Glück, denn schon einige Tage später trifft ein russländisches Geschoss die alte Unterkunft, reißt ein Loch in die Hauswand, den Balkon ab und zerstört die Küche.

Dank Smartphone gibt es davon auch ein Foto – es ist in ihrem Tagebuch Ihr wisst nicht, was Krieg ist, abgebildet. Für Yeva ist der Verlust mehr als nur ein materieller, es fühlt sich an, als wäre ein Teil ihrer Kindheit und damit von ihr selbst zerstört worden. Noch später, als sie bereits auf der Flucht nach Westen sind, hört sie, dass vom Wohnblock noch mehr zerstört wurde.

Wenn die Medien davon berichten, dass die Frontstadt Charkiw immer mehr zur Geisterstadt werde, stecken solche Geschichten dahinter; viele davon erahnt der Leser von Yeva Skalietskas Tagebuch aus den Kurznachrichten, die sie mit ihren Mitschülern austauscht. Die Ängste, die Unsicherheit und Verzweiflung, aber auch die Erleichterung, herausgekommen und in Sicherheit zu sein, sind spürbar.

Panikattacken lernt Yeva auch kennen, in Charkiw unter dem Eindruck des russländischen Beschusses, aber auch ganz im Westen der Ukraine, als sie in Uschorod an der ukrainisch-ungarischen Grenze angekommen sind. Statt Freude überfallen sie Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Ein Leben ist innerhalb weniger Tage völlig aus den Angeln gehoben worden. Die Intensität der Aufzeichnungen ist bedrückend, das Geschwafel selbst ernannter Pazifisten dagegen dosenhohl.

Yeva gelangt über Ungarn nach Irland, davon berichtet ein Teil ihres Tagebuches. Das ist übrigens sehr gelungen aufgemacht, drei schön gestaltete Karten informieren den Leser über den Fluchtweg Yevas, die Ukraine und Charkiw. Gerade auch junge Menschen können hier einen Einblick bekommen, wie es ist, wenn ein verbrecherischer Angriffskrieg den Frieden vertreibt. Das Vorwort von Marina Weisband ist sehr informativ – es spricht nichts dagegen, das Buch auch in der Schule zu lesen.

Yeva Skalietska: Ihr wisst nicht, was Krieg ist
Übersetzt von Dr. Alexandra Berlina
Knaur 2022
Hardcover 192 Seiten
ISBN: 978-3-426-28622-7